Sohn Der Nacht
sich jetzt dem Höhepunkt näherte. Als der rasende Mob, rauchende Fackeln in den Hän den, den Hügel zu Draculas Schloß erklomm, langte Zane nach der Fernbedienung, beherrschte sich dann aber und schlug sich statt dessen die Hände über die Ohren. Aber das Geschrei der Menge drang weiter durch. Das elende Gefühl aus seinem Alptraum - Tonnen von Schmutz, die sich um Kopf und Schultern preßten - überfiel ihn. Voller Verzweif lung unterband er den Strom des Blutes zum Stammhirn der Frau. Sie ließ einen blubbernden Seufzer hören und sank in tiefem Schlaf auf der Couch in sich zusammen. Er riß die Fernbedienung an sich und schaltete in den nächsten Kanal. Basketballspieler rannten auf dem Spielfeld auf und ab, wäh rend ein Kommentator aufgeregt plapperte. Zane sah eine Minute lang zu, bis er das Bild des schrecklichen Mobs aus seinem Kopf getilgt hatte.
Ruhelos und verärgert stakste er aus dem Wohnzimmer und die Treppe hinauf. Das hätte er sofort tun sollen - die Frau in Schlaf versetzen und auf Erkundung gehen, damit er fertig war, wenn die Ärztin nach Hause kam. Heute nacht würde er die Bedrängnis beginnen. Er klopfte gegen die Ski brille und die kurzläufige .38er in seiner Tasche. Der Griff des Revolvers würde eine gute Keule abgeben, aber er durfte nicht zu stark zuschlagen. Heute war er sehr viel stärker als gestern. Und er mußte aufpassen, kein Blut zu vergießen - er wollte nicht außer Kontrolle geraten. Sie nur ein bißchen rauh anfassen, sie erschrecken, und dann sehen, wen sie anrief. Wenn dann Vater angerannt kam, würde ihm das alles sagen, was er wissen mußte.
Zane stand oben auf dem Treppenabsatz und blickte sich um. Was war in den Zimmern jenseits des Badezimmers? Er machte sich auf den Weg, um nachzusehen. Aber als er am Badezimmer vorbeikam, fiel sein Blick auf den Spiegel an der Tür des Wandschränkchens, die jemand hatte offenstehen las sen. Er kehrte zurück und betrachtete sich in dem Glas. Obwohl noch nicht wieder ganz jung, hatte sein Gesicht doch deutliche Fortschritte gemacht. In den wenigen Stunden, seit er sich genährt hatte, waren die meisten der Falten bereits ver schwunden. Sein Haar war natürlich noch immer weiß. Seine normale braune Farbe mußte erst wieder aus den Wurzeln nachwachsen. Oder vielleicht würde er es färben. Auf jeden Fall sah er sehr viel jünger aus - fünfundvierzig vielleicht.
Zane warf den Kopf zurück, um zu sehen, was aus den Fal ten unter seinem Kinn geworden war. Statt dessen aber
bemerkte er einen brennend roten Fleck in einem der Nasen löcher. Besorgt riß er ein Stückchen Toilettenpapier ab, rollte es zusammen und schob es in die Nasenöffnung. Als er es wieder herauszog, war die Spitze feucht von frischem Blut. Verdammt - er hatte Nasenbluten gehabt! Mit wachsendem Horror starrte er auf das glänzende Tröpfchen Blut. War etwa nach Monaten des Blutentzugs die Leukämie zurückgekehrt?
Wann hatte seine Nase geblutet?
Mit schrecklicher Gewißheit wußte er die Antwort - wäh rend des Tötens. Die Aufregung, die Raserei hatte ein Kapil largefäß platzen lasen ...
Was bedeutete, daß er womöglich auf den Leichnam geblu tet hatte.
Voller Verzweiflung versuchte Zane, sich an eine andere Erklärung zu klammern, aber das konnte er nicht. Da Susan Zarellis Blut noch frisch gewesen war, hatte er selbst nicht sehen können, daß sich sein eigenes Blut mit ihrem mischte. Aber wenn ihr Blut erst einmal trocken war, würde seins wie ein Leuchtfeuer hervorstechen. Was, wenn die Polizei sein Blut fand, frisches Blut, das sich nicht zersetzen wollte? Sein Alptraum kehrte schlagartig zurück - wie das Netz über ihn fiel, das tiefe Loch, die Bulldozer. Er spürte einen kalten Schauder von Panik. Ich habe den Leichnam erst vorwenigen Stunden abgelegt, dachte er. Vielleicht hat ihn noch niemand entdeckt. Ich werde zur Kirche zurückkehren.
Er eilte die Treppen hinunter und zur Hintertür hinaus und rannte durch die Dunkelheit zu seinem Wagen.
Ein uniformierter Cop bewachte den rückwärtigen Eingang zum Altarraum. Katie zeigte ihm ihren Ausweis, und er winkte sie hinein. Etwas in seinem Gesicht warnte sie, und sie spannte alle Muskeln an. Sie konnte Merrick und ein paar andere Leute um die Kanzel am anderen Ende des Altarraums herum stehen sehen. Sie war beeindruckt, welch schmuckloser, fast düsterer Ort dies war - zwei Reihen höl zerner Kirchenstühle, getrennt von einem Mittelgang, der vor der Kanzel endete...
Die Kanzel - nein, sieh
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