Sohn Der Nacht
der Männer ein Wort, und Katie merkte, daß beide aus irgendeinem Grund befangen waren. In ihrer Nase kitzelte der feine Geruch von Formaldehyd. Auf der anderen Seite der Wand erwachte rumpelnd ein Ventila tor zum Leben - dort wurde die Autopsie durchgeführt.
»Wie geht es dir denn?« fragte Merrick.
»Mir geht's gut«, antwortete sie. »Und selbst?«
»Ebenfalls. Und Gregory?«
»Großartig.«
»Das ist gut.« Die feinen Linien um seine Augen vertieften sich in einem aufrichtigen Lächeln. Sie zwang sich, beiseite zu schauen und Dr. Byner anzusehen. Seine müden braunen Augen waren voller Neugier. Ganz klar, sie und Merrick ver band mehr, als daß sie sich nur >begegnet waren<, und er fragte sich womöglich, wie wohl die ganze Geschichte sein mochte.
»Es ist spät«, sagte Byner. »Lieutenant, fassen Sie für Dr. O'Keefe doch kurz den Hintergrund zusammen, und dann kann sie sich die Tote ja mal ansehen.«
Merrick stieß hörbar die Luft aus. »In Ordnung. Dr. Byner nimmt gerade die mikroskopischen Untersuchungen an einem Mordopfer vor, das letzte Nacht auf dem Grund und Boden der National Cathedral gefunden wurde. Eine junge Frau. Ihre Kehle war aufgerissen. Sie starb an Blutverlust. Ein beträchtlicher Teil ihres Blutes scheint zu fehlen.«
»Aufgerissen? Wodurch?«
»Menschliche Zähne«, sagte Dr. Byner.
Katie spürte plötzlich ein Brennen im Magen und war froh, nichts zu Mittag gegessen zu haben. »Ich bin überrascht, daß ich den ganzen Tag über nichts darüber in den Nachrichten
gehört habe.« Sie stellte sich vor, was die Boulevardpresse wohl daraus machen würde: VAMPIR SCHLÄGT AN DER KATHEDRALE ZU. Nicht daß maß Vampire für diese Art von Krankheit nötig gehabt hätte. Die Realität konnte unglückli cherweise schlimmer sein als jeder Mythos.
»Bisher haben wir es geheimhalten können«, sagte Merrick. »Ein Priester hat die Leiche in den Büschen neben der Kathedrale gefunden. Sie lag völlig verborgen unter den tief hängenden Zweigen. Dr. Byner meint, die Frau sei schon zwei Tage tot gewesen.«
Byner bedachte sein Mikroskop mit einem seltsam verzerr ten Blick. »Dr. O'Keefe, ich habe hier etwas nicht konservier tes Blut, das aus der Wunde entnommen wurde. Ich möchte Sie bitten, sich das einmal anzusehen.«
Katie ging mit einer leichten Vorahnung zum Mikroskop. Irgend etwas machte beiden Männern mehr Sorge, als sie ein gestehen mochten. Sie blickte durch das Okular. Das erste, was sie sah, war die erwartete Menge geschrumpfter roter Blutkörperchen. Etwas in der Nähe des Bodens des Objektträ gers sprang ihr ins Auge. Inmitten der zerstörten und ausgetrockneten roten Blutkörperchen fanden sich drei, die aussa hen, als seien sie gerade erst vor einer Minute einem lebenden Körper entnommen worden. Sie waren rund und prall, sehr rosig und hatten nichts von der Blässe roter Blutkörperchen an sich, die ihren Sauerstoff verloren haben.
Ungläubig blickte sie zu den beiden Männern auf. »Na, nun sagen Sie schon - was ist das?«
»Ich hatte gehofft, das könnten Sie uns sagen«, sagte Byner.
»Das Opfer war schon drei Tage tot?«
»Das ist richtig.«
»Und es lag an zwei Tagen davon draußen in ein paar Büschen?«
»Korrekt.«
Katie schüttelte den Kopf. »Doktor, Sie wissen so gut wie ich, daß rote Blutzellen, die der Luft ausgesetzt werden, nur wenige Minuten frisch bleiben.«
Byner und Merrick wechselten einen Blick.
»Was?« sagte Katie. »Na, Sie beiden - heraus damit.«
»Ich habe natürlich die Blutgruppe des Opfers bestimmt«,
sagte Byner. »Diese drei Zellen, die Sie da gerade gesehen
haben, stammen nicht vom Opfer.«
Katie spürte ein Prickeln im Nacken. »Dann müssen sie ...« »Das ist richtig«, sagte Merrick sanft. »Sie stammen aus
dem Blut des Mörders.«
Katie blickte abermals durch das Mikroskop, erstaunt über das, was sie da sah. Die roten Blutkörperchen des Mörders dürften eigentlich nicht so aussehen - nicht nach vier Tagen. Die geschrumpften roten Blutkörperchen des Opfers rings um die prallen Zellen machten den Kontrast nur noch drama tischer.
»Da gibt es noch etwas, das Sie wissen sollten«, sagte Dr. Byner. »Im linken Ohrläppchen des Opfers habe ich eine kleine Ansammlung vom Blut des Mörders gefunden - genug jedenfalls, um Tests damit zu machen. Dabei habe ich kein Serum gefunden, nur die Blutkörperchen selbst.«
»Das Serum muß verdunstet sein, als es dort drei Tage offen gelegen hat«, sagte Katie.
»Ja, was mich aber
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