Sohn Der Nacht
kribbeln. »Wer ist da?«
Die Verbindung wurde unterbrochen, und ein paar Sekun den später erklang in ihrem Ohr der Wählton. Das Telefon klapperte hörbar, als sie den Hörer zurücklegte. »Es war ein Mann. Er sagte, irgend jemand beobachtet gerade unser Haus.«
Moms Schultern zogen sich unwillkürlich schaudernd zusammen. »Hast du seine Stimme erkannt?«
»Nein.« Katie trat ans vordere Fenster, und ihr Herz klopfte aufgeregt. Sie schob die Vorhänge auseinander und blickte hinaus. Das Licht auf der Straße verursachte tanzende Schat ten von Ahornblättern auf dem Rasen und dem Bürgersteig. Sie konnte niemanden sehen. Sie eilte durch das Eßzimmer zum rückwärtigen Teil des Hauses, um durch die Vorhänge über die Spüle in der Küche nach draußen zu sehen. Der Hin terhof war sehr viel dunkler als die Frontseite, aber es war immer noch genug Licht, um etwas zu erkennen. Sie suchte die Baumstämme und die Stechpalmenhecke ab. Eine Sekunde lang meinte sie, sie habe einen Schatten gesehen, der über die Hecke huschte, aber er schmolz dahin, als sie sich darauf konzentrierte. Als sie zur Hintertür ging und das Licht auf der Veranda anmachte, stand ihre Mutter hinter ihr und griff nach ihrer Schulter. Die Glühbirne warf ein dämmriges Licht über den Hof. Katie starrte auf die Stelle, wo der Schat ten sich bewegt hatte. Die niedrige Hecke lag still da. Da war niemand.
Oder niemand, den sie sehen konnte.
Katie spürte tief im Innern einen Schauder. Sie dachte an Gregory oben in seinem Bett. »Wir werden die Handwerker anrufen«, sagte sie, »gleich morgen früh sollen sie uns hier Gitterstäbe vors Fenster machen.«
Zane hängte den Telefonhörer ein und bummelte die M- Street hinunter zu einem Parkplatz, den er vier Blocks entfernt gefunden hatte. Er war ein wenig enttäuscht. Ein Telefonan ruf blieb doch deutlich hinter dem zurück, was er für heute abend geplant hatte. Und doch war er effektiv gewesen, das hatte er aus der Angst in der Stimme der Ärztin deutlich gespürt. Soll sie sich doch Sorgen machen, dachte Zane. Soll sie Merrick doch von dem Anruf erzählen. Soll er doch begrei fen, daß ich ihn gesehen habe, aber er mich nicht.
Zane öffnete seine Jacke in der Hoffnung, die kühle Brise werde ihn beruhigen. Obwohl der Verkehr so kurz nach Mit ternacht ein wenig dünner geworden war, rollten noch immer Autos über Georgetowns wichtigste Einkaufsstraße hinauf und hinunter. Eine Horde Skinheads in ihren ausgeflippten schwarzen Kleidern stolzierte über den Bürgersteig auf ihn zu, vielleicht auf dem Weg zu einer ihrer schummrigen, lau ten Tränken. Der große Bursche an der Spitze der Gruppe starrte Zane aggressiv an. Zane wußte, daß er den Idioten eigentlich beruhigen müßte und einen Schritt zur Seite treten sollte, aber das tat er nicht. Als er unbeirrt weiterging, wandte sich der Skinhead um und teilte seine Gefolgschaft mit spöttischen Armbewegungen.
»Da kommt meine Friseuse«, schrie er. »Laßt sie durch, laßt sie durch.«
Zane ignorierte ihn, aber als er an ihm vorbeiging, rem pelte ihn der Skinhead ziemlich hart an.
»Oh. Tut mir leid, Sylvia.«
Zane ließ die Hände in den Taschen und legte nur eine mentale Klemme um die Blutgefäße in einem der optischen Nerven des Mannes. Der Skinhead keuchte, als er die Seh fähigkeit in diesem Auge verlor, und stolperte zwinkernd gegen die Wand eines Schnapsladens. Die anderen versam melten sich um ihn, und Zane ließ sie hinter sich, nachdem er
ihr beunruhigtes Gestammel ausgeschaltet hatte. Einen Moment später würde der hirnlose Gefoppte seine Sehkraft wiederfinden. Dieses Erlebnis würde den Raufbold noch Stunden danach verwirren.
Als er weiterging, überlegte Zane, ob er sich jetzt wieder nähren sollte» Er würde es mindestens noch einmal brauchen, um seine volle Kraft und das jugendliche Aussehen wieder zugewinnen, das er so liebte. Aber sein Körper hatte das Blut der letzten Nacht noch nicht verarbeitet. Wenn er sobald schon wieder trank, würde sein System mit dem neuen Blut beginnen, und einiges von dem alten wäre verschwendet. Nicht, daß das etwas ausgemacht hätte, aber da gab es noch eine andere Überlegung - aus jedem einzelnen Tötungsvor gang den größtmöglichen Ärger für Vater zu machen. In die sem Augenblick, dachte Zane, schleicht er allein umher und wartet darauf, daß ich seine Geliebte angreife. Ich werde sei ner Angst Zeit geben, ihr Werk an ihm zu vollbringen. Werde ihn die ganze Nacht draußen
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