Sohn Der Nacht
aus der Jackentasche, preßte die Saugkappe auf das Glas und brachte rundherum
einen kreisförmigen Schnitt an. Das Glas sprang ohne ein Geräusch heraus. Er steckte einen Arm hindurch und schloß das Fenster auf. Dann schob er das Schiebefenster gerade so weit in die Höhe, daß er hindurchschlüpfen konnte.
Zane fand sich in einem Kinderzimmer wieder. Der Mond warf ein kaltes, bläuliches Licht durch den Raum und ließ ein Bücherregal, eine weiße Kommode und ein schmales Bett mit einem Baldachin darüber erkennen. Plüschtiger und -löwen und eine Stoffgiraffe saßen sauber aufgereiht auf dem Kopfende des Bettes und blickten ihn aus schwarzen Knopfaugen an. Das Bett war sehr ordentlich gemacht, aber er konnte den Staub im Laken riechen. Poster von Schauspielern im Teenageralter bedeckten die Wände. Auf jedes Foto war eine Signatur hingekritzelt, die persönlich aussehen sollte - >liebe dich, Corey; immer in Liebe, Jason<, und so weiter. Aus irgendeinem Grunde empfand Zane den harmlosen Schwin del als Beleidigung. Er stellte sich das Mädchen vor, das in diesem Zimmer wohnte - Jenny -, wie es alleine auf die Bil der blickte und sich wünschte, die Signaturen wären echt. Er hielt nach einem Foto von ihr Ausschau und entdeckte ein Foto auf dem Nachttisch, aber als er es aufnahm, sah er, daß es auch nur einen weiteren jugendlichen Fernsehstar zeigte.
Zane suchte auf dem niedrigen Bücherregal nach Fotoalben, aber statt dessen fand er romantische Geschichten über geheime Gärten und die Töchter von Prinzen. Auf Jennys Kommode fand sich ein Stapel Comicbücher, die so sorgsam aufeinandergelegt waren, daß sie die Hand der Mutter verrie ten.
Vielleicht hatte Ann ein Foto von Jenny in ihrem Schlafzim mer.
Zane trat in den langen Flur hinaus und orientierte sich kurz, um dann schnell in das Elternschlafzimmer zu laufen. Fotos eines jungen Mädchens standen eingerahmt auf beiden Nachttischen. Zane nahm eines zur Hand und starrte faszi niert darauf. Sie sieht aus wie ich! dachte er. Sie hat Anns glat tes, langes Haar, aber sie hat meine Augen, meinen Mund!
So etwas wie ein leichter Schwindelanfall überkam ihn, und er setzte sich auf das Bett. Seine Brust fühlte sich voller Luft an, und das Blut sang in seinen Ohren. War das wirklich möglich? Der Zeitablauf könnte in etwa stimmen. Er war zuletzt vor etwas mehr als zwölf Jahren in Washington gewe sen. Als er sich in sein Hotel eingeschrieben hatte, hatte er Ann am Empfangstisch arbeiten sehen und war ihr später nach Hause gefolgt. An drei aufeinanderfolgenden Nächten war er in ihr Bett gekommen, hatte ihren Ehemann in Bewußt losigkeit versenkt und ihn aus dem "Weg gerollt. Jede Nacht war er dabei durch das kleine Zimmer gekommen, in dem sich jetzt Jennys Sachen fanden. Damals war es leer gewesen. Und Ann hatte wahrlich nicht schwanger ausgesehen.
Und einige Zeit, nachdem Merrick ihn aus der Gegend gejagt hatte, hatte Ann eine Tochter bekommen. Jetzt starb diese Tochter an einer Leukämie, die allen Behandlungsfor men widerstand!
Zane spürte ein wildes Verlangen, wieder nach unten zu rennen, sich James und Ann zu zeigen, sie zu fragen, ob Jenny irgendwelche seltsamen Hungergefühle habe. Aber sie waren möglicherweise viel zu überrascht und erschreckt, eine Ant wort zu geben, und dann hätte er sie, nachdem er sie hatte sehen lassen, töten müssen, ohne etwas in Erfahrung gebracht zu haben.
Zane hörte Schritte die Treppe hinaufkommen, den Tritt eines Mannes, der linkische Versuche unternahm, leise zu sein. Zane unterdrückte ein Stöhnen. Habe ich ein Geräusch verursacht? fragte er sich. Er konnte sich nicht erinnern. Er erhob sich, stellte das Bild wieder an seinen Ort und wartete, das Gesicht der Tür zugewandt.
James erschien im Türrahmen, die eine Hand an der Wand, die Augen weit geöffnet. »Wer ist da?« murmelte er und betrat das Schlafzimmer mit langsamen, vorsichtigen Schritten. Zane fühlte es jedesmal im Nacken kribbeln, wenn sich die Augen des Mannes auf ihn richteten, obwohl er wußte, daß James ihn nicht sehen konnte. Nun komm schon, beweg dich
weiter, dachte er ungeduldig. Als James das Bett umrundete, trat Zane ihm aus dem Weg. Mit übertriebener, fast komischer Behutsamkeit öffnete der Mann die Schranktür und blickte hinein.
Verschwinde, verdammt noch mal!
Schließlich schlurfte James aus dem Zimmer und die Treppen hinunter. Zane konnte hören, wie er Ann beruhigte. Wenn sie erst das Loch in Jennys Fensterscheibe fanden,
Weitere Kostenlose Bücher