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Sohn der Verdammnis: Die Chronik der Erzengel. Roman (German Edition)

Sohn der Verdammnis: Die Chronik der Erzengel. Roman (German Edition)

Titel: Sohn der Verdammnis: Die Chronik der Erzengel. Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wendy Alec
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verhielt. Die Supermärkte und Einkaufszentren in Amerika waren Orte gedämpften Lärms. Als sie nach ihrer Rückkehr aus den USA in den nächstgelegenen Saintsbury’s-Lebensmittelladen gegangen war, hatte es sie erstaunt und belustigt, wie laut der britische Lebensalltag war.
    Die Amerikaner kleideten sich auch konservativer, außer in Zentren wie New York oder Los Angeles. Doch in Großbritannien fand man New York auf jeder Straße – und das selbst in der kleinsten Stadt. Das war eben britische Eigenart.
    Sie unterbrach den Fluss ihrer abschweifenden Gedanken und wandte sich vom Fenster ab. Lily war immer noch am Telefon und diskutierte mit ihrem Vater.
    »Nein, Dad – das habe ich dir schon vor Monaten gesagt!« Lily war ungehalten. »Alex, Polly und ich verbringen den Sommer im Stadthaus in Georgetown. Das haben wir schon seit September so geplant.«
    Lily rollte ungeduldig die Augen.
    »Nein, wir sind nicht allein, Dad – Mum kommt in der zweiten Woche dazu. Hör auf, mich zu behandeln, als wäre ich neun!«
    Julia betrachtete ihre sechzehnjährige Tochter mit einer Mischung aus Amüsement und Bewunderung. Lilys langes, glänzendes dunkles Haar umrahmte ein klassisch geschnittenes Gesicht mit den hohen Wangenknochen der De Veres. Ihre dunkelgrünen Augen blitzten. Sie waren das Einzige, was sie von den St. Cartiers geerbt hatte, und zwar von Julias geliebter verstorbener Mutter Lola.
    Alles andere an Lilys Gesicht, bis hin zu dem Grübchen im Kinn, war reiner Jason De Vere. Daran ließ sich nichts deuteln. Mit sechzehn Jahren war Lily jedoch nicht nur äußerlich fast ein jüngeres Abbild ihres Vaters, sondern auch von ihrem Temperament her. Und Julia betete sie an.
    Es war nun fast neun Jahre her seit dem Unfall, der Lily gelähmt hatte.
    Julia seufzte. Sie konnte sich noch genau daran erinnern, als wäre es gestern erst passiert. Eine der großen De-Vere-Familienpartys. Lily, damals sieben, war müde gewesen, und Nick hatte angeboten, sie früh nach Hause zu fahren. Ein riesiger Möbelwagen hatte sich plötzlich vor ihnen quergestellt. Sie hatten keine Chance gehabt. Nick hatte eine Gehirnerschütterung, ansonsten aber nur Abschürfungen und Blutergüsse davongetragen, aber Lily war seitdem von der Hüfte abwärts gelähmt. Nick hatte zuvor zwei Bier getrunken – ein Alkoholspiegel, der unterhalb der gesetzlichen Promillegrenze lag. Für Julia war es von Anfang an klar gewesen, dass ihn keine Schuld traf. Aber was Jason betraf – der hatte das ganz anders gesehen. Jason hatte seitdem mit seinem jüngeren Bruder kein Wort mehr gewechselt. Und die lebhafte Siebenjährige, deren Lebensmittelpunkt zuvor das Ballett gewesen war, hatte sechs Monate auf der Krankenstation und weitere sechs in einer Reha-Klinik verbracht. Die Meinung der Fachärzte war einhellig gewesen: Sie würde ihr Leben lang ans Bett gefesselt und ein Pflegefall sein. Aber Lily war eine De Vere und hatte sie alle eines Besseren belehrt.
    Nach nicht einmal zwei Jahren hatte sie es geschafft, sich im Rollstuhl fortzubewegen, und war als Internatsschülerin der Rodean-Mädchenschule in Brighton, England, ins Leben zurückgekehrt. Innerhalb von drei Monaten war sie zum strahlenden Mittelpunkt der Schule avanciert.
    Jason und Julia hatten ein Haus in Brighton gekauft, damit Julia jederzeit, wenn es ihr möglich war, problemlos dorthin reisen konnte, um ihrer Tochter nahe zu sein.
    Lily war eine echte Kämpfernatur. Ganz wie ihr Vater Jason De Vere. Mutig. Beharrlich. Manchmal taktlos. Sie hatte die Unverblümtheit ihres Vaters geerbt, sein Unvermögen, Dinge zu beschönigen.
    Julia wusste, dass ihre eigene sanftere Art, ihr künstlerischer Wesenszug, Lilys Temperament milderte. Sie waren die besten Freundinnen und standen einander so nahe, wie es bei Mutter und Tochter nur sein konnte.
    Das Einzige, was Lily nahezu aus der Bahn geworfen hatte, war die Scheidung ihrer Eltern gewesen.
    Julia biss sich auf die Lippe, als sie sich daran erinnerte. Sie hatte Lily wochenlang jede Nacht weinen hören, nachdem sie und Jason sich getrennt hatten.
    »Frag ihn, was Lulu macht«, flüsterte Julia.
    Lily verdrehte die Augen.
    »Mum will wissen, wie’s Lulu geht, Dad.«
    Sie legte die Hand über die Sprechmuschel.
    »Er sagt, es ist sein Hund. Die Rhodesian-Ridgeback-Hündin bleibt bei ihm. Das steht nicht zur Debatte.«
    Jetzt war es an Julia, die Augen zu verdrehen.
    Lily grinste. »Er sagt, es geht ihr gut. Sie schläft jede Nacht auf seinem

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