Sokops Rache
der Niobe , der sanft in der Dünung tanzt. »Die vielleicht? Nicht, dass ich mir die leisten könnte.«
Kurze Zeit später weiß er genug. Er wird am Samstag zum Brunkowkai, dem Seglerhafen nahe der Altstadt gehen, wo die Niobe nach dem Verlassen ihres hiesigen Winterquartiers im Yachthafen liegen wird.
Am Abend trifft er sich mit Strom im Schlauch , schiebt dem anderen den Umschlag mit dem Geld über den Tisch zu und erhält die Fahrzeugpapiere.
»Henry, nimm mir das nicht krumm, aber ich muss dich mal was fragen.« Strom plinkert ihn mit seinen Knopfaugen an. Nachdem sie bei der jungen Frau mit dem Nasenpiercing, die heute Tresendienst hat, Bier und Pizza bestellt haben, sind sie zum Rauchen in den Extraraum gegangen. Hier, durch Glasscheiben vom Kneipenraum getrennt, sind sie allein.
»Leg los. Wenn mir die Frage nicht gefällt, brauche ich ja nicht zu antworten.« Er grinst sein Gegenüber an und sieht die Erleichterung in dessen Miene. Er traut mir nicht, genauso wie ich ihm nicht traue, denkt Henry.
»Schon damals habe ich mich das gefragt, als du vor Gericht standst.«
Henry beginnt zu ahnen, worauf der andere hinaus will. »Du willst wissen, ob ich es getan habe?«
Strom zündet sich am Ende seiner Zigarette die nächste an und nickt. »Nicht, dass ich es dir zutrauen würde …«
»Geschenkt. Ich war es tatsächlich nicht. Und ich war blöd genug, im Prozess nicht das Gegenteil zu behaupten. Wahrscheinlich wäre ich dann deutlich früher ’rausgekommen. Hast du wirklich für möglich gehalten, ich könnte das getan haben?«
Strom windet sich, blickt auf seine nicht ganz sauberen Fingernägel, fährt sich mit der Handfläche über die Glatze, starrt auf die Tür zum Schankraum, die sich gerade öffnet. Die Bedienung stellt ihre Biere vor sie auf den Stehtisch und Strom blickt mit einem anerkennenden Ausdruck auf ihr kleines Hinterteil, als sie hinausgeht. Dann hat er sich seine Antwort zurechtgelegt.
»Nun, so würde ich es nicht sagen. Andererseits traue ich dir schon einiges zu. Ich meine, so gut kenne ich dich ja auch wieder nicht, weißt, hast dich ja auch verändert in den Jahren. Aber da ist eine Sache, die mir in letzter Zeit immer wieder durch den Kopf geht.« Sie trinken beide ihre Biere an, wischen sich synchron den Schaum von den Lippen. Halb meint Henry, gleich eine von Stroms ausufernden Geschichten zu hören zu bekommen, halb spürt er, dass es etwas für ihn selbst Bedeutsames ist, das den anderen beschäftigt. Er prostet ihm zu, noch einmal trinken sie, dann beginnt Strom, kompliziert und verschlungen wie immer, zu erzählen.
»Und der Schwager von der war doch dieser Boxer, Kalle Paetow, erinnerst du dich an den?«
Henry schüttelt den Kopf. So wenig, wie man sich hier an ihn erinnert, so weit weg sind ihm Wismars damalige Bewohner gerutscht.
»Der führte diese Kneipe in der Scheuerstraße, hat semi-professionell geboxt und hatte auch bei anderen Sachen seine Finger drin.« Strom sieht ihn an, wartet auf eine Reaktion, doch Henry muss passen.
»Keinen Schimmer.«
»So ein großer Bulliger. Blond, Typ Wikinger, weißt. Ungefähr in deinem Alter.«
»Strom, das alles ist 15 Jahre her.«
»Egal, also der hatte von euch damals mehrere Wagen gekauft. Und als ihm der dritte in Folge verreckt ist, lief er herum und dröhnte, er wolle euch höchstpersönlich das Handwerk legen. Das war kurz bevor …« Er sucht nach Worten. »Kurz bevor dein Vater starb.«
Schweigen senkt sich in den kleinen, von Zigarettenqualm vernebelten Raum. Durch die Trennwand tröpfeln verstümmelte Klänge der Kneipenmusik zu ihnen herein. Henry leckt Papier an und klebt seine Zigarette zu.
»Der Paetow ist keiner, der zimperlich ist, weißt?« Strom blickt ihn Verständnis heischend an.
Henry ist kalt geworden.
»So richtig vorstellen konnte ich mir das nie, dass der nach Berlin gefahren sein soll und dort deinen Vater umgebracht hat. Deshalb habe ich seine Drohung, sich an euch zu rächen, auch nicht der Polizei gemeldet, nachdem sie dich verhaftet hatten.« Er verzieht das Gesicht in kummervolle Falten. »War vermutlich ein Fehler.«
Henrys Gedanken rotieren. Kann dieser Paetow sein Mann sein? Ist die Mercedes-Spur die falsche? Zwei Männer in Kapuzenpullis und Schlabberhosen und eine Frau mit dick schwarz umrandeten Augen kommen zu ihnen ins Raucherabteil und er bedeutet Strom, zurück nach vorne in die Kneipe zu gehen. Dort sind sie ungestört; noch immer ist der Raum fast
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