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Sokops Rache

Sokops Rache

Titel: Sokops Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Lohmeyer
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lässt.
    »Ehrlich? Nie mal ein Herrenparfüm benutzt? Da stehen die Weiber doch drauf.« Henry hält seinen Atem flach, gibt seiner Miene einen harmlos-gewitzten Ausdruck. Gleich wird er wissen, ob er dem Mörder gegenübersteht.
    Paetow schnaubt. »Als ob ich so was nötig hätte.«
    Sie hocken wieder auf den Sofas. Henry versucht, die irgendwie bedrohliche Miene des Wikingers zu ignorieren, sinniert vielmehr über das, was er gerade erfahren hat, nach. Die roten Flecken, die der andere mit seinem Dreitagebart kaschiert, sprechen für den Wahrheitsgehalt seiner Aussage.
    Paetow öffnet zwei weitere Biere, schiebt eins davon, mit indifferentem Blick, zu Henry hinüber. Der beugt sich zur Flasche vor – da greift der Wikinger hinter sich und wirft etwas auf den Tisch zwischen sie. Henry weiß sofort, dass er verspielt hat. Es ist die Geldbörse mit seinen Papieren. Sie muss ihm auf dem Sofa aus der Hosentasche gerutscht sein.
    »Brandt also?« Paetows Blick ist schneidend. Die Musik hat schon vor einer Weile ausgesetzt; es ist jetzt so still hier oben, dass das Gemurmel und Lachen der nebenan vor der Bar sitzenden Gäste durch die offenen Fenster dringt. Henry versucht, seinen Atem zu regulieren, schweigt.
    »Ich kannte mal einen Sokop. Ist schon ’ne Weile her.« Der Wikinger beugt sich weit vor, drückt seine Zigarette im Ascher aus. »Der war nicht ganz koscher, hat linke Geschäfte mit Autos gemacht. Und dann ist er eingefahren. Für einen Mord.«
    Henrys Gedanken jagen. Ist dies der Moment der Wahrheit? Wenn der andere der Mörder ist, wie wird er reagieren?
    Er zuckt zusammen, als Paetow ihm seine Hand auf das Knie schlägt.
    »Alter, an deiner Stelle würde ich auch unter falschem Namen reisen.«
    * * *
    Wer warten, kann ist stark.  Sie starrt auf diesen Satz, der als Computerausdruck über ihrem Schreibtisch an der Wand hängt. Das mag ja sein, doch wer zu lange wartet, den bestraft das Leben. Sie hat sich einlullen lassen von Henrys  Gib-mir-Zeit -Masche. Und nun betrügt er sie. Mit dieser blonden Kuh.
    Dabei hat sie angenommen, er wäre auf eine seltene Art keusch, vielleicht auch nur schüchtern Frauen gegenüber. Alle anderen Gefangenen, mit denen sie für ihre Reportage Kontakt gehabt hat, haben sich ein Foto von ihr gewünscht. Ihr ist völlig klar, weshalb; wofür sie es in der Abgeschiedenheit ihrer Zellen benutzen wollten. Nur Henry hat sie, trotz der Nähe, die während ihrer Interviews entstanden ist, nie danach gefragt. Obwohl er keineswegs homosexuell ist. Dazu hat er ihr genügend Details aus seinem Leben vor der Haft erzählt. Die sexuelle Zurückhaltung ihr gegenüber hat sie zugleich verstört und fasziniert.
    Sonja weiß ganz genau, dass Henry sie mag. Als er sie neulich in den Arm genommen hat, da ist der Funke wieder übergesprungen zwischen ihnen. Er macht sich etwas vor mit dieser Blonden. Händchenhalten und Ins-Ohr-Geflüster. Sogar geküsst hat er sie! Als sie beobachtet hat, wie er diese Schlampe vor den Stufen der Bar umarmt und sie sich an ihn gepresst und minutenlang nicht von ihm gelöst hat, ist ihr körperlich übel geworden. Sie selbst hat wie erstarrt am Steuer ihres Wagens gesessen, durch die Dunkelheit geschützt. Am liebsten hätte sie die paar Meter im Laufschritt zurückgelegt, die beiden auseinandergerissen und der Blonden entgegengeschrien: »Der hält dich genauso zum Narren wie mich!« Denn was hat die andere sie in der Bar gefragt?  Kennen Sie Herrn Brandt schon länger?  Brandt! Sonja drischt mit der Faust auf die Schreibtischplatte. Sie wird etwas unternehmen. Henry gehört ihr.
    * * *
    Er drückt auf den Klingelknopf der Oldenburgschen Stadtvilla. Gestern Abend ist er brav allein nach Hause gegangen, Nicoles Geschmack auf den Lippen und so voller Leben, dass es ihn ängstigte. Als wären seine Gefühle, fünfzehn Jahre lang eingesperrt – wilden Tieren gleich –, aus ihrem Käfig ausgebrochen. Nicoles Verhalten ihm gegenüber ist wie eine Einladung, sich wieder der menschlichen Gattung anzuschließen. Doch das will, das kann er auf keinen Fall zulassen. Nicht nur das, was ihre Küsse ausgelöst haben, sondern auch seinen Hass spürt er in diesem Moment so stark wie selten in seinen Adern pulsieren. Sich dermaßen lebendig zu fühlen erschüttert ihn.
    Er braucht einen klaren Kopf.
    Solange er zweifelt, kann er nicht Schluss machen. Er muss sich sicher sein, den Richtigen gefunden zu haben. Paetow ist wegen der Neurodermitis so gut wie aus dem Spiel. Aber

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