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Sokops Rache

Sokops Rache

Titel: Sokops Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Lohmeyer
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erzählen Sie mal, welches dunkle Geheimnis umgibt Sie?«
    Henry sieht sie erschrocken an.
    »Na, irgendein Geheimnis sollte jeder interessante Mann pflegen.« Ihr Lachen entblößt zwei Reihen perfekter Zähne. Er greift nach ihrer Hand und flüstert in ihr Ohr: »Ich kann überhaupt nicht segeln.«
    Für eine Sekunde ziehen sich ihre Augen zusammen, dann bricht sie in Lachen aus. »Das können wir ändern. Dazu sollten wir uns zuerst einmal duzen, was meinst du?« Er lässt ihre Hand los und sie stoßen noch einmal an. Während er auf ihre Lippen schaut, die sich um den Trinkhalm schließen, überlegt er, ob er die Nacht mit ihr verbringen oder langsamer vorgehen soll.
    Da bricht etwas über ihren Tisch herein, das er weder vorausgesehen noch als Gefahr ernst genug genommen hat.
    »Henry, was für eine Überraschung. Ich hoffe, ich störe nicht.« Ungeniert mustert die kleine untersetzte Frau mit der orange gefärbten Bobfrisur Nicole Oldenburg. Ihr Blick flattert, das Haar ist zu allen Seiten gesträubt, sie hält sich an der Tischkante fest, als befänden sie sich auf einem schwankenden Schiff. Henry bleibt äußerlich ruhig, macht keine Anstalten, die beiden Frauen vorzustellen. Glücklicherweise sind sämtliche Plätze belegt. Er wird diese Nervensäge also bald los sein. Nicole schaut ihn fragend an. Er beglückwünscht sich zu seinem Entschluss, ihr gegenüber seinen richtigen Vornamen zu benutzen und lächelt sie entschuldigend an. Doch nun muss er irgendetwas sagen oder tun.
    »Sonja?«
    »Ja, Henry.«
    »Tust du mir einen Gefallen?«
    »Natürlich.«
    »Erinnere dich an das, worum ich dich gebeten habe.« Gerne würde er noch deutlicher werden, doch darf er diese Begegnung gegenüber Nicole nicht mit Bedeutung aufladen. Sie muss dieses Zusammentreffen, diese Frau, für unwichtig halten. Was sie ja auch ist. Da steht Nicole auf, entschuldigt sich und geht zu den Toiletten. Seine Chance.
    »Hör zu, Sonja. Ich will nichts von dir, begreife das. Und lass, verdammt noch mal, die Finger von meinem Privatleben. Das geht dich nichts an. Überhaupt nichts.«
    Sonja presst die Lippen zu einem Strich, wendet sich grußlos ab und drängt sich an den in Doppelreihen am Tresen stehenden Gästen vorbei in Richtung Ausgang. Dort trifft sie auf Nicole. Henry sieht mit gerunzelter Stirn, wie die beiden ein paar Sätze wechseln, bevor Sonja die Bar mit einem letzten, nicht recht deutbaren Blick zu ihm verlässt. Nicole kommt auf ihn zu, durchmisst die ganze Länge der Bar mit großen und doch eleganten Schritten, ihre Augen liegen auf ihm und er spürt plötzlich so etwas wie Angst. Angst davor, wie lebendig er sich plötzlich fühlt.
    »Wer war das denn?« Nicole schiebt sich wieder auf ihren Platz, streicht sich das Haar aus dem Gesicht. Schnell ist die Legende ausgedacht.
    »Eine Journalistin, die mich auf der Suche nach Interviewpartnern für eine Reportage ausfindig gemacht hat. Es geht um Menschen, die nach längeren Auslandsaufhalten zurück nach Deutschland gekommen sind. Ich habe mich ein, zwei Mal mit ihr getroffen, ihr über mich, meine Erfahrungen erzählt.« Er schaut Nicole harmlos an. »Das hat ihr leider nicht genügt. Sie will mich noch einmal interviewen, sagt sie. Ich habe den Eindruck, sie meint, ein Anrecht auf mich zu haben. Obwohl ich sie gebeten habe, mich in Ruhe zu lassen, denn ich glaube, dass sie sich da in etwas verrannt hat. Diese Reportage wird vermutlich nie fertig werden.«
    »Das glaube ich auch, mein Lieber. Die Dame war entweder verwirrt oder betrunken. Oder beides.«
    * * *
    Martialischer  Death Metal  tränkt jedes Molekül in dem großen, mit allem möglichen Zeug vollgestellten Raum über Paetows Laden. Die dröhnende Lautstärke schließt alle Außenreize aus und versetzt die Atmosphäre in eine vibrierende Unruhe, die in eigenartigem Kontrast zu den beiden Männern steht, die auf verschlissenen Sofas zwischen Kartontürmen und leeren Kleiderständern sitzen. Sie lehnen entspannt in den Polstern, Bierflaschen und Zigaretten in Reichweite, und hängen ihren Gedanken nach. Paetows über das Knie gelegter nackter Fuß wippt im Rhythmus der Musik. Das Abendlicht dringt durch die seltsam niedrigen Fenster, bei deren Anblick sich Henry immer wie ein Riese vorkommt. Er lässt die brachialen Klänge sein Bewusstsein durchfluten, genießt den paradoxen Effekt des gleichzeitigen Aufpeitschens und des Phlegmas, den sie auslösen, obwohl er diese Musik weder mag noch versteht. Der Wikinger

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