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Sokops Rache

Sokops Rache

Titel: Sokops Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Lohmeyer
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Magazin, bis ihm der schweflige Gestank des Schwarzpulvers fast die Luft nimmt.
    »Achthundertfünfzig der Colt, inklusive 200 Schuss.« Der nikotinverfärbte Zeigefinger des Nackens deutet erst auf den Revolver, dann auf die Pistole. »Und die siebenhundertfünfzig. Schalldämpfer hundertfünfzig.«
    Henry rechnet noch einmal und entscheidet sich für die Pistole: Mit deren Handhabung kennt er sich besser aus – eine der vielen nützlichen Sachen, die er von seinem Vater gelernt hat. Der Schalldämpfer könnte sich als notwendig erweisen. Und auch Sentimentalität ist mit im Spiel: Der Mörder wird seine Strafe durch dasselbe Fabrikat erhalten, das er selbst benutzt hat. Wenn das nicht eine hübsche Ironie des Schicksals ist. Euroscheine und Waffe tauschen ihre Besitzer, der Nacken und er schütteln sich – ganz Geschäftsleute – die Hände. Als er das Wismarer Molkereiviertel verlässt, fühlt sich Henry wie der Verbrecher, für den ihn alle halten.
    * * *
    »Na so etwas, Herr Brandt.« Nicole wirft die Reitkappe auf den Rücksitz ihres Saab Cabrios und streckt ihre Hand aus. »Was führt Sie hierher? Reiten Sie etwa auch?«
    Henry schließt den Golf auf, der wie zufällig neben dem Saab auf dem Parkplatz des Zierower Reitstalls steht, ergreift ihre Hand mit festem Griff und hält sie einen Hauch zu lange in der seinen.
    »Ich war unten am Strand.« Er deutet die Straße entlang. »Ein wenig die Seele auslüften. Und nein, vor Pferden habe ich einen Höllenrespekt. Die sehe ich mir lieber aus der Ferne an.« Er mustert sie aufmerksam. Sie wirkt heute wie ein junges Mädchen. Das lange blonde Haar in einem dicken Zopf gerafft, das Gesicht leicht gerötet, ein wenig verschwitzt, die weiße Bluse nicht mehr ganz makellos und ihr Körper umweht von würzigem Pferdearoma. »Doch ich finde es absolut faszinierend, wenn so zierliche Personen wie Sie diesen großen, starken Kreaturen ihren Willen aufzwingen.«
    Sie runzelt die Stirn, versucht zu ergründen, ob er sie foppt. Er setzt noch einen drauf.
    »Nein wirklich. Wie viel Kraft in diesen zarten Händen liegen muss.« Er ergreift noch einmal ihre Rechte und sie errötet tatsächlich, weicht seinem Blick aus. Ihr Körper strafft sich.
    »Zum Reiten braucht man keine Kraft in den Händen. Da sind andere Körperpartien entscheidender.«
    Nun weiß er nicht, ob sie dies anzüglich meint.  Patt , denkt er und lächelt sie an. »Sie haben nicht zufällig heute Abend noch nichts vor?«
    Gegen acht wartet er in der  Bar am Kai , wo die Gäste an den über die gesamte Länge des schmalen Raums aufgereihten Tischen sitzen, als stünden sie selbst zum Verkauf, wären Teile einer Auslage, welche die Jungen und Schönen der Stadt feilbietet. Henry fühlt sich nicht wirklich wohl hier, doch wo tut er das schon? Zumindest ist es hier, im Zentrum der Touristen- und Studentenströme, anonym genug für ihn und seine Pläne. Die Tische, die draußen in der milden Abendluft stehen, sind alle belegt, auch hier drinnen hat er Mühe, den Platz ihm gegenüber frei zu halten. Stimmengewirr und die elektronische, basslastige Musik, das Milchschaumdüsenfauchen und Geschirrklappern aus der offenen Küche verschmelzen zu einer hypnotischen Kakophonie. Er schließt die Augen, lässt sich einlullen von der angespannten Atmosphäre voller Freitagabendabenteuerhoffnungen. Als er sie wieder öffnet, blickt er in Nicole Oldenburgs Gesicht. Er steht auf, zieht ihr den Stuhl unter dem Tisch hervor, sie setzt sich und währenddessen fällt kein Wort. Die Stille zwischen ihnen dauert an, doch ist es kein unangenehmes Schweigen. Es ist vielmehr, als teilten sie wortlos die Freude ihres Wiedersehens, als konzentrierten sie sich beide völlig auf das Erleben des andern. Der Bann hält an, lässt sie beide – sich unablässig anschauend – wie unter einer unsichtbaren Glocke inmitten all der Menschen und des Lärms ruhen. Henrys Herz pocht fühlbar.
    Der Kellner durchbricht den Zauber. Sie bestellt für sie beide Caipirinha; etwas, das er nicht kennt. Früher – vor der unfreiwilligen, fünfzehnjährigen Abstinenz – war er Biertrinker, nur ganz selten hat er sich einen guten Whisky gegönnt. Heute ist er in dieser Hinsicht ein unbeschriebenes Blatt. Wer weiß, vielleicht entwickelt er sich nun zum Cocktailtrinker. Sie prosten sich zu und Nicole beugt sich zu ihm vor. Kein Pferdeduft mehr, stellt er fest, sondern ein kostspielig riechendes Parfum. Er wird herausfinden, wie es heißt.
    »Dann

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