Sokops Rache
Kommandos, bemüht sich, seine Aufregung zu verbergen. Sie segeln hart am Wind. Oldenburg ist zufrieden mit ihm; inzwischen kennt er die gängigen Kommandos und Manöver.
Nach einer Stunde sind sie so weit draußen, dass jemand, der über Bord geht, keinerlei Chance hat, schwimmend das Land zu erreichen. Und niemand kann auf diese Entfernung sehen, was sie hier tun. Henry starrt hinüber zur Küste. Ein dunkelgrüner Strich, mal breiter, mal schmaler. Nur ab und zu ein heller Streifen, dort, wo sich eine Steilküste über dem Strand erhebt. Einen Augenblick lang spürt Henry Ermattung. Oldenburg dreht sich zu ihm um.
»So, dann nimm mal das Ruder, mein Junge. Ich hole uns etwas zu trinken.« Er verschwindet unter Deck. Henry hört es rumoren, eine Schranktür fällt zu, dann kehrt der andere mit zwei Thermosbechern aus Edelstahl zurück, drückt ihm einen davon in die Hand. »Oldenburgs Spezialkaffee. Was für richtige Seebären.«
Henry nimmt durch das Trinkloch im Deckel einen vorsichtigen Schluck. Starker Kaffee, mit reichlich Whisky auf angenehme Trinktemperatur herabgekühlt. Er lächelt zu Oldenburg hinüber. »Guter Kaffee.«
Während der nächsten halben Stunde holt Oldenburg noch zwei Mal Nachschub , wie er es nennt. Henry schafft es beide Male, den Inhalt seines Bechers über die Reling zu schütten, ohne ertappt zu werden. Oldenburg ist nun deutlich angetrunken, lallt hörbar und überlässt Henry das Fieren und Anholen der Leinen. Wieder an Deck, kippt er den Whisky pur in seinen Becher und stellt die Flasche in eine Halterung im Steuerstand. Henry lehnt eine weitere Becherfüllung ab.
»Wie du willst.« Oldenburg übernimmt das Ruder, wirft Henry einen undefinierbaren Blick zu und ruft ihm, über das Zischen des durch die Wellen pflügenden Bootsrumpfs und das Leinengeklimper hinweg zu: »Und? Was hast du mit meiner Tochter vor? Oder seid ihr noch nicht so weit, um über die Bettkante hinaus zu schauen?« Sein Brustkorb hüpft vor Lachen. »Mann, Junge, das Mädel ist voll auf dich abgefahren. Das kannst du mir glauben. Ha, dich kann ich ja verstehen. Wenn Nicole nicht meine Tochter wäre, wüsste ich schon, was ich mit ihr anfangen wollte. Bin ja kein Kostverächter.«
Henry schluckt den Würgereiz hinunter, der ihn überfällt. Nicoles Vater widert ihn an.
»Ihre Mutter war auch so ein heißer Feger. Solche Glocken, sage ich dir.« Er hält sich die flache Hand auf Armlänge vor den Brustkorb, kichert. Wie bei allen Betrunkenen kreist Oldenburgs Denken in einer Endlosschleife. Henry unterbricht seine libidinösen Ergüsse.
»Tatsächlich planen Nicole und ich nichts. Wir mögen uns sehr gern, möglicherweise wird mehr daraus. Doch wir kennen uns erst kurz, Bernhard.« Es kostet ihn Überwindung, den Mörder beim Vornamen zu nennen.
»Na und? Nicoles Mutter und ich haben geheiratet, als wir gerade mal sieben Monate zusammen gewesen sind. Na, damals waren es andere Zeiten. Und außerdem war da schon Nicole im Anflug.« Er leert seine Becher mit wenigen Schlucken. Nach einer Pause spricht er weiter. »Weißt du, was mir an dir gut gefällt? Du redest nicht viel. Nicoles Letzter war so eine Quatschtüte, wusste zu allem alles besser. Politiker eben.«
Henry grinst verkniffen. Die Sonne hat sich nun völlig hinter die immer dichter werdenden Wolkenbänke verkrochen. Der frische Wind trägt die Niobe über das unruhige Wasser voran. Vor einer Weile sind sie einer Motoryacht mit Kurs auf die Küste begegnet. Jetzt ist die bleigraue See um sie herum wieder wie leergefegt. Ganz weit hinten am Horizont zieht langsam ein dunkler Fleck dahin: ein Frachtschiff oder eine Fähre.
»Nun erzähl mal etwas über dich. Ich komme mir hier ja wie ein Alleinunterhalter vor.«
Henry überlegt, was er antworten soll, da stöhnt Oldenburg theatralisch.
»Warte, zuerst muss ich mal Wasser ablassen.« Er übergibt ihm das Ruder und stellt sich am Heck an die Steuerbordreling. Henry ist wie elektrisiert. Das ist die Gelegenheit. Oldenburg nestelt an seinem Reißverschluss, schwankt dabei gefährlich hin und her. Henry rekapituliert innerhalb von Sekundenbruchteilen, was er über Segelmanöver gelernt hat. Der Wind kommt von achtern. Er steuert die Niobe mit heftig klopfendem Herzen nach backbord. Die Fock beginnt laut zu flattern.
»Ey, halt Kurs.« Der andere wendet den Kopf, sieht was gleich passieren wird, reißt die Augen weit auf. »Mehr steuerbord, gib hart steuerbord.« Da schwingt das Großsegel
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