Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Solang die Welt noch schläft (German Edition)

Solang die Welt noch schläft (German Edition)

Titel: Solang die Welt noch schläft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
Vom Netzwerk:
sich Jo eilig in Richtung Flur entfernte.
    An der ersten Tür rechts von ihr prangte ein kleines Messingschild, auf dem »Umkleidekabine 1« stand. »Umkleidekabine 2« lag direkt daneben. Dann folgten ein »Materialmagazin«, ein »Waschraum 1« und ein »Waschraum 2«. Fragend schaute sich Jo um – hier gab es alle möglichen Räumlichkeiten, nur wo war das Vereinsheim der Damen?
    »Frollein, wollen Sie hier Wurzeln schlagen? Seit Edith krank ist, funktioniert hier wirklich gar nichts mehr. Ich warte nun schon seit einer halben Stunde auf mein Bier, bin fast am Verdursten!«, fuhr ein junger Mann sie von der Seite her an, der gerade aus einem der Waschräume getreten war. Er war groß, blond und sehr gutaussehend. Und zudem sah er aus, als wäre er es gewohnt, dass man seinen Anweisungen folgte. Er trug die schnittigste Radlerkluft, die Josefine je gesehen hatte.
    Sie reckte ihr Kinn nach vorn und sagte: »Dass Sie Durst haben, tut mir sehr leid, aber ich kenne keine Edith und ich bin auch keine Schankmagd. Vielmehr suche ich den Damen-Radverein.« Noch während sie sprach, rätselte sie, wann und wo sie diesen Mann schon einmal gesehen hatte. Schlagartig fiel es ihr ein: Es war auf der Rennbahn gewesen, auf die Moritz Herrenhus sie einst eingeladen hatte. Ewigkeiten war das her! Ganz offensichtlich hatte der Bursche damals Eindruck auf sie gemacht, wenn sie ihn jetzt wiedererkannte …
    Seine Miene änderte sich schlagartig, wurde offener, fast freundlich. » Sie wollen in den Veloverein für Damen?« Unter seinem musternden Blick fühlte sich Jo in ihrem alten Kleid und ihrer schmucklosen Frisur auf einmal schrecklich unwohl. Eigentlich hatte sie geglaubt, dass in einem Radverein Kleidung keine große Rolle spielen würde – schließlich ging es doch in erster Linie um den Sport, oder? Doch schon der Anblick der gutgekleideten Herren im Schankraum hatte sie eines Besseren belehrt. Allem Anschein nach verkehrten hier nur feine Leute.
    »Haben Sie etwas dagegen?«, fauchte sie ihr Gegenüber mit funkelnden Augen an. Von solch einem feinen Pinkel würde sie sich gewiss nicht einschüchtern lassen! Und wenn ihre Knie noch so sehr zitterten.
    Der Mann grinste und hob in einer abwehrenden Geste beide Hände. »Keinesfalls, ganz im Gegenteil, ich finde es sehr gut, dass auch junge Damen … Ihres Standes den Weg zum Velosport finden.« Lächelnd zeigte er auf eine Tür am Ende des Ganges. »Der Damenverein hat seinen Raum dort hinten.«
    Ohne noch etwas zu erwidern, ließ Jo ihn stehen. »Junge Damen Ihres Standes« – was sollte das denn heißen?, ärgerte sie sich, während sie die Türklinke zum Damenverein hinunterdrückte.

    »Schenken wir am kommenden Samstag nun Sekt und Champagner aus oder nur eines von beiden?« Chloé, die Ehefrau eines Radrennfahrers, schaute fragend in die Runde. Vor ihr standen eine Tasse Kaffee und ein unberührtes Stück Torte.
    »Wir könnten vor dem Rennen Sekt anbieten und danach dann Champagner«, erwiderte Melissa, die Tochter eines pharmazeutischen Unternehmers. Wie Chloé war auch sie noch relativ neu in dem Verein, und das anstehende Rennen war das erste große Ereignis, das sie mitorganisierten.
    »Sekt, Champagner, alles schön und gut! Aber sollten wir uns nicht allmählich den wesentlichen Fragen unseres Renntages widmen?«, fragte Irene aufbrausend und schob ihre leere Kaffeetasse von sich, als wollte sie sagen: Schluss mit dem Kaffeekränzchen! »Da ist beispielsweise die Presse. Uns wäre weiß Gott geholfen, wenn die Zeitungen nicht wieder so negativ über unsere Veranstaltung berichteten wie beim letzten Mal. Wie also können wir für wohlwollende Presse sorgen?« Fragend schaute sie in die Runde, die aus ungefähr zwanzig Frauen verschiedenen Alters bestand.
    Ratloses Schweigen machte sich breit.
    Auch Isabelle schwieg. Nach dem Herbstrennen hatte ein Journalist sie in seinem Artikel als »Xanthippen auf zwei Rädern« bezeichnet. Ein anderer hatte von einem »peinlichen Spektakel« geschrieben und dieses mit einer Zirkusveranstaltung verglichen. Ihr Vater hatte vor Wut gekocht. Noch mehr solche Berichte, und er würde ihr diesen Firlefanz schlichtweg verbieten!, drohte er. Eine zukünftige Neumann habe sich nicht lächerlich zu machen. Und was war mit Irene?, fragte Isabelle ihren Vater herausfordernd, doch er war nicht auf sie eingegangen. Wie so oft! Missmutig rührte Isabelle Zucker in ihre Tasse Kaffee.
    Schon seit Wochen war ihre Laune auf dem

Weitere Kostenlose Bücher