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Solang die Welt noch schläft (German Edition)

Solang die Welt noch schläft (German Edition)

Titel: Solang die Welt noch schläft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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dankbaren und Irene einen wütenden Blick zu. Dann bat sie Josefine an den Tisch. Hoffentlich würde Jo nichts Falsches sagen, bangte sie.
    »Ich heiße Josefine Schmied. Das Velofahren ist tatsächlich meine große Leidenschaft. Leider bin ich in den letzten drei Jahren nicht dazu gekommen, da ich eine Ausbildung zum Mechaniker gemacht habe.«
    Eine Ausbildung zum Mechaniker? Isabelle hob die Brauen. Auch eine Art, einen Gefängnisaufenthalt zu umschreiben.
    »Aber früher, im Schwarzwald, bin ich sogar eins der uralten Hochräder gefahren. Richtig gefährlich, kann ich dazu nur sagen.«
    Ein paar der Frauen nickten zustimmend, hie und da wandelte sich eine feindselige Miene in eine interessierte.
    »Du kommst aus dem Schwarzwald? Ist das nicht eine schrecklich unzivilisierte Gegend?«, fragte Fadi.
    Josefine lachte. »Keinesfalls. Die Menschen dort sind Neuerungen technischer und anderer Art gegenüber sehr aufgeschlossen. Meine Freundin Lilo zum Beispiel arbeitet als Krankenschwester in einem exklusiven Sanatorium, das sehr moderne Wege bei der Behandlung Lungenkranker geht.«
    Isabelle staunte. Dass sich Josefine so geschickt schlagen würde, hätte sie nicht gedacht. Kein Wort über das Frauengefängnis in der Barnimstraße. Vage Andeutungen bezüglich ihrer Herkunft – kam sie nun aus dem Schwarzwald oder nicht? Dazu eine Ausbildung zum Mechaniker. Ob daran etwas Wahres war?
    »Josefine ist schon viel herumgekommen, hat viel gesehen und erlebt«, konnte sie sich nicht verkneifen zu sagen.
    »Eine Ausbildung zum Mechaniker – wie kommt eine junge Frau dazu?«, wollte Luise Karrer wissen.
    »Auch das hat mit meiner Leidenschaft fürs Radfahren zu tun«, erwiderte Jo lächelnd. »Ich wollte schon sehr bald nicht nur auf dem Rad fahren, sondern wissen, welches Rädchen wofür zuständig ist, was der Vorderradumfang mit der zurückgelegten Wegstrecke zu tun hat, wie man die Tretkurbeln so einsetzt, dass sie optimal funktionieren …«
    Luise nickte anerkennend. »An solchen Kenntnissen hapert es bei den meisten von uns, leider. Ich bin zwar recht flott auf dem Velo unterwegs, aber wehe, ich habe eine Panne!«
    »Wenn Sie mögen, zeige ich Ihnen gern ein paar der wichtigsten Kniffe.«
    »Ich weiß nicht …« Unsicher schaute sich Luise um. »Interessant wäre das schon, vor allem da die Männer sich immer so zieren, uns etwas Technisches zu erklären.«
    Mit Genugtuung sah Isabelle Irenes grimmige Miene. Dass Josefine so viel Boden gutmachte, passte Adrians arroganter Schwester allem Anschein nach gar nicht.
    Plötzlich fand Isabelle die neue Konstellation, die sich hier eröffnete, sehr verführerisch: Josefine im Verein. Ein weiteres Mitglied, dem es vor allem ums Radfahren gehen würde. Eine, die nicht stundenlang über Sekt und Champagner palaverte. Eine, die auf ihrer Seite stünde und nicht auf Irenes oder Fadis. Eine, deren bloße Anwesenheit Irene sauer aufstoßen würde. Sie musste dringend darüber nachdenken, wie man die dummen Statuten des Vereins in Josefines Fall umgehen konnte, beschloss sie.
    Enthusiastisch nahm Isabelle Josefines Hand und sagte: »Du musst Luise nicht siezen. Wir pflegen hier ein freundschaftliches Du. Das haben wir uns von den Männern abgeschaut. Es ist im Sport so viel einfacher als bei einer förmlichen Anrede, findest du nicht?«
    Josefine nickte erfreut.
    »Mir reicht’s!« Irene schaute von ihrer Zeitschrift auf. »Damit eins klar ist: Für diese Frau bin ich immer noch Fräulein Neumann. Und Mitglied wird sie hier nur über meine Leiche.«

20. Kapitel
    Am darauffolgenden Samstag bekam Josefine ihren ersten Lohn. Abzüglich aller Kosten für Logis, Bettwäsche und Küchenbenutzung waren es fünfzehn Mark für anderthalb Wochen schmerzende Handgelenke, durchgetretene Füße und tödliche Langeweile.
    Josefine wusste nicht, ob sie lachen oder weinen sollte. Mit diesem Lohn würde sie ihre Träume nie in die Tat umsetzen können. In der kommenden Woche würde sie ihre Suche nach einer neuen Arbeit noch intensivieren, zur Not musste sie dafür sogar den Besuch an Friedas Grab opfern, beschloss sie.
    Mit dem Geld in der Tasche machte sie sich auf den langen Weg in die Luisenstadt. Als sie am Kaufhaus Reutter vorbeikam, spielte sie kurz mit dem Gedanken, hineinzugehen und bei Oskar Reutter wegen einer Anstellung nachzufragen. Vielleicht war sein Warenbestand um weitere technische Geräte angewachsen und er konnte einen eigenen Mechaniker gut gebrauchen? Doch was, wenn auch

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