Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Solang die Welt noch schläft (German Edition)

Solang die Welt noch schläft (German Edition)

Titel: Solang die Welt noch schläft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
Vom Netzwerk:
Kapitel
    Adrian dirigierte den Droschkenfahrer nach Feuerland. Ausgerechnet in der Nähe der Schuhsohlenfabrik, in der Josefine bis vor kurzem noch gearbeitet hatte, bat er den Fahrer, den Wagen anzuhalten.
    »Hier soll es Velos zu kaufen geben?«, wunderte sich Jo. Das hätte sie doch mitbekommen, oder? Kein Schild, nicht der geringste Hinweis war an der alten Lagerhalle angebracht. Skeptisch folgte sie Adrian ins Innere der Halle. Im nächsten Moment blieb sie abrupt stehen.
    »Das gibt’s doch nicht …« Ungläubig schaute sie sich um. Dutzende von Velos – aufgestellt in exakten Reihen – warteten hier auf ihre neuen Besitzer!
    »Die Auswahl müsste reichen, oder etwa nicht?«, fragte Adrian lächelnd. »Und dort hinten ist auch schon ein Verkäufer. Beginnen wir am besten mit deinem Rad, meine Tourenmaschine kann warten.«
    »Meine Empfehlung für das gnädige Fräulein wäre die Damenmaschine von Opel. Schauen Sie, der Opel hat sogar Michelin-Reifen. Sehr exklusiv, sehr luxuriös.« Der Verkäufer, ein dicker kleiner Mann mit Glatze, der aussah, als habe er selbst noch nie in seinem Leben ein Velo bestiegen, sah Adrian beifallheischend an.
    »Aber mit zweiundvierzig Pfund erscheint mir das Gewicht ziemlich hoch«, erwiderte Adrian. »Es muss doch inzwischen auch schon leichtere Damenräder geben.«
    Josefine stand schweigend daneben. Wie gut es hier roch! Nach Gummireifen und Schmierfett. Nach dem Leder der Sättel, nach Freiheit und einem schönen Leben.
    Der Verkäufer winkte ab. »Für eine gemütliche Spazierfahrt macht es keinen Unterschied, ob ein Velo siebzig oder vierzig Pfund wiegt … Die junge Dame wird sich auf dem exklusiven Velo sicher sehr wohl fühlen.« Er machte einen Schritt auf ein weiteres Gefährt zu. »Hier haben wir auch noch ein hübsches Damenrad, es besticht durch seinen blau lackierten Rahmen – sehr feminin! Der Preis liegt mit zweihundertdreißig Mark im guten Mittelfeld. Eine schöne Maschine für schöne Spazierfahrten.« Der Mann untermalte seine Rede mit einer schwungvollen Handbewegung.
    Spazierfahrten! Jo verdrehte im Geist die Augen. Etwas anderes fiel dem Mann zu einer radfahrenden »jungen Dame« wohl nicht ein.
    »Apropos schön … Im hinteren Teil der Halle bieten wir auch sehr hübsche Radkostüme an. Vielleicht möchte sich die junge Dame, während wir uns um das Technische kümmern, dort schon einmal ein wenig umsehen?« Es war das erste Mal, dass er sich an Josefine wandte, seit sie das Geschäft vor einer guten halben Stunde betreten hatten. Das Lächeln, das er ihr schenkte, glich dem, das man einem braven Kind zukommen ließ.
    Adrian sagte: »Irene kauft ihre Radfahrkostüme auch immer hier ein, die Sachen sind sehr chic.«
    »Kleider interessieren mich im Augenblick nicht im Geringsten«, sagte Josefine mit unverhohlenem Ärger. Es war ja wirklich sehr nett von Adrian, sie zu begleiten und zu beraten, aber um »das Technische« wollte sie sich gern selbst kümmern!
    »Ich würde es schätzen, wenn Sie mir nun endlich ein modernes Rad zeigen. Solche wie diese hier gibt’s doch schon seit Jahren!« Ohne sich um den entsetzten Blick des Verkäufers zu kümmern, ging Jo den langen Gang entlang, in dem ein Velo nach dem anderen auf Ständern aufgereiht war. Deutsche, englische, sogar amerikanische Fabrikate standen in Reih und Glied. Alle glichen dem Rover, wie sie ihn einst bei Moritz Herrenhus kennengelernt hatte. Die Räder waren bestimmt sehr gut, aber es musste sicher noch etwas Neues geben – die Ingenieure und Techniker, die sich mit Velozipeden beschäftigten, konnten doch nicht vier Jahre lang geschlafen haben!
    In der Mitte des Ganges angekommen, fand Josefine schließlich, wonach sie gesucht hatte. Das schnittige Gefährt hatte eine tiefschwarze Lackierung und auch der Sattel war aus schwarzem Leder. Als sie es anhob, erschien es ihr fast federleicht. »Full Roadster, England «, las sie auf dem Schild, das am Lenker des Velos angebracht war. Wenn sie sich nicht täuschte, fuhr einer der Radfahrer im Verein diese Maschine. Sie hatte den Roadster bei ihrem ersten Besuch im Verein, während sie an der Rennbahn gestanden hatte, ausgiebig bewundert. Ein wohliges Gefühl erfüllte ihre Bauchgegend. Sie räusperte sich.
    »Den Full Roadster hier … gibt es ihn nur mit diesen Kissenreifen? Oder könnte ich ihn auch mit den elastischeren Pneumatikreifen bekommen?« Diese Art Reifen seien eine Revolution in der Velotechnik, hatte sie in einer der

Weitere Kostenlose Bücher