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Solang die Welt noch schläft (German Edition)

Solang die Welt noch schläft (German Edition)

Titel: Solang die Welt noch schläft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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Ausflüge nichts. Damit machte er sich nur etwas vor. Lächerlich waren seine Anstrengungen. Lächerlich und wenig hilfreich. Er, der Nachfolger, würde immer nach der Pfeife von Gottlieb Neumann tanzen müssen. Mit seinen vierundzwanzig Jahren hatte er nichts vorzuweisen außer seinem Studium. Nicht einmal seine Wohnung gehörte ihm.
    Luft! Er brauchte dringend frische Luft. Doch das Fenster klemmte, nur mit Mühe gelang es Adrian, es eine Handbreit zu öffnen. Gierig atmete er die eiskalte Luft ein, als wollte er gleichzeitig Zuversicht und Mut in sich aufsaugen.
    Er musste handeln, und zwar bald. Ansonsten gab es kein Entrinnen mehr. Nachdem die Hochzeit im Herbst erneut verschoben worden war, weil Isabelle mit einer schweren Grippe daniederlag, war der neue Termin nun auf den Gründonnerstag festgelegt worden. Doch er gedachte nicht, an diesem Tag oder irgendeinem anderen zusammen mit Isabelle vor dem Traualtar zu stehen. Der Gedanke, sich für ewig an eine Frau zu binden, die er nicht liebte – und die ihn nicht liebte! –, war unerträglich.
    Josefine … Ihr wollte er endlich seine Liebe gestehen können! Er wollte sie in den Arm nehmen, sie küssen, ihr über die lockigen Haare streichen, seine Lippen an die Stelle in ihrem Nacken legen, wo ganz feiner Flaum die Haut bedeckte. Er wollte, dass sie zu ihm aufschaute. Er wollte ihr sagen können: Hier bin ich und hier bleibe ich, an deiner Seite. Wenn du mich willst.
    Stattdessen war alles, was sie hatten, ihre heimlichen Fahrradfahrten. Berührungen, so zufällig wie die eines herabfallenden Blattes. Hastige Blicke unter niedergeschlagenen Lidern, die man so oder so deuten konnte. Alles ganz harmlos, nicht wahr? Nur zwei Radfahrerbekannte, die gemeinsam trainierten. War ein gemeinsames Leben überhaupt möglich? Oder waren sie einfach zu verschieden?
    Adrian atmete noch einmal tief durch. Seinen Plan, mit deutschen Veloherstellern ins Geschäft zu kommen, musste er wohl vergessen. Aber er hatte noch einen anderen, ebenso gewagten wie vielversprechenden Plan im Kopf. Ob sein Mut, diesen umzusetzen, allerdings ausreichen würde, wusste er nicht.
    Statt die zwanzig Minuten vom Bahnhof zu seiner Stadtwohnung zu laufen, wie er es sonst tat, nahm Adrian sich eine Droschke. Er hatte genug von dem Tag und wollte nur noch seine Ruhe.
    Doch Ruhe war ihm nicht gegönnt, denn kaum hatte er die schwere holzvertäfelte Haustür aufgeschlossen, sah er eine Gestalt auf der obersten Treppenstufe kauern, direkt vor seiner Wohnungstür.
    »Isabelle! Was machst du hier?«
    Sie war blass, ihre Augen waren verweint. Ohne ein Wort folgte sie ihm in seine Wohnung – etwas, was sie noch nie getan hatte.
    »Lass uns in den Salon gehen. Ist etwas passiert? So sprich doch, wie kann ich dir helfen?«, drängte Adrian und wollte Isabelle den Pelzmantel abnehmen.
    »Was ich dir zu sagen habe, kann ich dir auch hier sagen«, antwortete Isabelle knapp und knöpfte ihren Mantel zu statt auf. Ihr Blick, gerade noch der eines verwundbaren Mädchens, wurde hart.
    »Bei uns zu Hause gibt es kein anderes Gespräch mehr als die Hochzeit. Gästelisten, das Brautkleid, die Speisenfolge, die kirchliche Zeremonie – ich werde noch wahnsinnig von dem vielen Gerede!«
    »Glaubst du, mir ist wohl beim Gedanken daran? Verdammt, warum haben wir damals bloß nicht auch gleich darüber nachgedacht, wie wir aus dieser Geschichte einmal wieder herauskommen?«, erwiderte Adrian gereizt.
    »Damals? Damals interessiert mich nicht! Jetzt sollst du etwas tun. Nochmals kann ich nicht allein das Ruder herumreißen!«, schrie Isabelle ihn unvermittelt an. »Ich möchte meine Freiheit wiederhaben, und zwar lieber heute als morgen. Wenn ich einmal heirate, dann aus Liebe! Und nicht weil mein Vater und dein Vater irgendwelche Pfandscheine unterschrieben haben. Wobei wir beim Thema sind …« Ihr Blick war nun regelrecht von Hass erfüllt, sie ließ Adrian nicht aus den Augen, als sie weitersprach: »Es war dein Vater, der am meisten von unserer Verlobung profitiert hat. Deshalb ist es auch deine Aufgabe, dem Spuk ein Ende zu setzen! Und zwar so, dass ich heil und mit unbescholtenem Ruf aus der ganzen Sache herauskomme. Ich erwarte einen Plan von dir, und zwar schnell. Andernfalls werfe ich mich vor den Zug, und du bist schuld an meinem Tod. Was glaubst du wohl, wie sich das dann anfühlt, Adrian Neumann?«
    Fassungslos schaute Adrian Isabelle hinterher. War es eine schicksalhafte Fügung, dass seine »Verlobte«

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