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Solang die Welt noch schläft (German Edition)

Solang die Welt noch schläft (German Edition)

Titel: Solang die Welt noch schläft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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erwiderte seinen herausfordernden Blick.
    »Wer weiß – vielleicht hast du das erste schon gefunden?« Sie lächelte wie eine Katze, die sich am Sahnetopf gütlich tat.

    »Du hättest Isabelle mal sehen müssen – wie exaltiert sie gelacht hat. Sie hat sich dem Burschen fast an den Hals geworfen. Und dann die Blicke, die sie getauscht haben. Was habe ich in einem von Friedas Romanen gelesen? ›Sie versanken in den Blicken des jeweils anderen‹ – das traf vorhin bei Isabelle und diesem Leon wirklich den Nagel auf den Kopf.« Josefine runzelte die Stirn. »So habe ich Isa noch nie erlebt.«
    »Es hört sich an, als wäre sie dabei, sich zu verlieben«, sagte Clara leichthin und deckte ihren Sohn, der in seinem Stubenwagen lag, mit einer hellblauen Häkeldecke zu. Zu zweit saßen sie neben dem Wagen und wechselten sich damit ab, das schlafende Kind hin und her zu rollen.
    »Er schläft, Gott sei Dank«, flüsterte Clara kurze Zeit später. Auf Zehenspitzen tapsten sie aus dem Kinderzimmer in den danebenliegenden Salon, wo Clara eine Kaffeetafel gedeckt hatte.
    »Du siehst müde aus«, sagte Josefine, während sie der blassen Freundin den längst kalt gewordenen Kaffee einschenkte, was Clara kommentarlos geschehen ließ. Der Johannisbeerkuchen war durchgeweicht und hatte eine unappetitliche braune Farbe angenommen, Fruchtfliegen schwärmten um ihn herum. Hektisch wedelte Jo die Fliegen mit der Hand weg. Eigentlich hatte sie gar keinen Appetit …
    »Ich bin müde! Matthias schläft pro Nacht höchstens drei Stunden. Sobald er wach wird, fängt er an zu schreien. Anfangs dachte ich, wenn ich ihn ignoriere, hört er wieder auf. Schließlich heißt es doch, dass Schreien die Lunge eines Kindes kräftigt. Aber sobald Matthias losschreit, wird Gerhard sehr ungehalten, er braucht seinen Nachtschlaf schließlich. Also beeile ich mich, das Kind beim ersten Muckser aus der Wiege zu nehmen. Aus lauter Angst, den Moment zu verpassen, bekomme ich kaum mehr ein Auge zu. Und tagsüber ist es nicht viel besser, das hast du ja gemerkt.« Clara gelang es nicht, ein Gähnen zu unterdrücken.
    Josefine nickte. Seit ihrer Ankunft war eine gute Stunde vergangen, in der sie nichts anderes getan hatten, als zu versuchen, den schreienden Jungen zur Ruhe zu bringen.
    »Dass ein Säugling so viel schreit, ist das normal? Dein Mann ist doch Arzt, er muss doch wissen, was dem Kleinen fehlt. Vielleicht hat er Blähungen. Oder …« Jo zuckte hilflos mit den Schultern. Babys waren nicht gerade ihr Spezialgebiet.
    Clara lachte bitter auf. »Gerhard meint, es läge an mir. Mein schlechter nervlicher Zustand würde sich auf das Kind übertragen. Außerdem behauptet er, ich würde Matthias nicht genügend mütterliche Zuwendung schenken.« Gegen Tränen ankämpfend, fuhr sie auf: »Ich bin doch Tag und Nacht für meinen Sohn da! Was soll ich denn noch tun?«
    »Dein schlechter nervlicher Zustand?« Jo runzelte die Stirn. »Dein Mann scheint nicht nur, was uns Radfahrerinnen angeht, sehr seltsame Ansichten zu vertreten.«
    Clara ergriff ihre Hand. »Umso froher bin ich, dass du mich dennoch weiterhin besuchst. Glaub mir, Gerhards Zeitungsartikel sind mir schrecklich peinlich! Aber er lässt sich nicht davon abhalten. Auf dem Bonner Ärztekongress, bei dem er dieses Wochenende ist, geht es auch wieder einmal um die negativen Auswirkungen des Velofahrens bei Damen. Er hat sich da furchtbar verrannt!«
    »So kann man das auch nennen«, sagte Jo trocken.
    Es entstand eine peinlich lange Pause. Um etwas zu tun zu haben, schaute sich Jo in Claras Zuhause um. Alles sah aus wie in einem Puppenhaus – Spitzendeckchen, ein Silbertablett, frische Blumen in einer Vase auf der Anrichte. In der Luft hing der schwache Duft von Lavendel, den Jo noch aus der Apotheke kannte. Alles war sauber, jedenfalls viel sauberer als bei ihr zu Hause, wo sich in den Ecken Staubmäuse tummelten und Katzenhaare das Sofa bedeckten. Das hier war ein Heim, in dem die Handschrift einer guten Hausfrau deutlich zu lesen war. Warum fühlte sie sich dennoch so unwohl?, fragte sich Josefine stumm. Lag es an dem Wissen, dass Gerhard Gropius hier wohnte? Oder hatte es damit zu tun, dass Clara ganz und gar nicht wie eine glückliche junge Mutter und Ehefrau wirkte?
    Es war Clara, die das Schweigen schließlich mit betont froher Stimme brach: »Was sagen denn die anderen Vereinsmitglieder zu dem Gast aus der Pfalz?«
    Josefine tat ihr den Gefallen und kehrte zu dem Thema, das sie

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