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Solang die Welt noch schläft (German Edition)

Solang die Welt noch schläft (German Edition)

Titel: Solang die Welt noch schläft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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Josefine holte tief Luft. Hob ihren rechten Fuß. Stellte ihn aufs rechte Pedal. Nun musste es schnell gehen. Treten, treten, und bloß nicht damit aufhören, hatte Lilo gesagt.
    Schwankend setzte sich das Velo in Bewegung. Mit jeder Umdrehung, die die Räder machten, wurde die Anstrengung geringer, die Fahrt flüssiger.
    »Ich glaube, ich … kann das!« Josefine lachte auf, während sich ihre Beine in einem schwungvollen Gleichmaß bewegten.
    »Gut so, aber halte den Lenker gerade, du brauchst ja die ganze Wegbreite zum Fahren«, befahl Lilo, die neben ihr herlief.
    »Und wennschon. Dafür ist der Weg doch da!«, rief Josefine und stieß einen lauten Schrei des Entzückens aus. Ein Hochgefühl erfüllte ihr Herz, ihren Kopf, ihren ganzen Körper.
    »Das ist ja unglaublich! Lilo, ich habe das Gefühl, mir sind Flügel gewachsen.«
    »Verrückt, nicht wahr? Und jetzt hör auf zu treten, damit du wieder langsamer wirst«, ertönte es neben ihr.
    »Langsamer werden? Wieso denn das?« Statt Lilos Anweisung zu befolgen, trat Josefine noch eifriger in die Pedale. Sie wollte fliegen, die Bäume an sich vorbeirasen sehen, als säße sie in einem Zugabteil.
    »Nicht doch, halt an!« Mit der Hand, mit der sie Josefine stabilisiert hatte, ruckelte Lilo nun heftig am Lenker. Einen Moment lang verlor Josefine fast die Balance, doch dann kam sie wieder in den Tritt.
    »Gleich. Nur noch ein paar Meter …«
    Sie wollte noch lange nicht anhalten. Fahren wollte sie! Den Fahrtwind spüren und das Prickeln der eisigen Luft auf ihren Wangen, sie wollte fühlen, wie sich ihre Haare im Wind hoben –
    »Halt an, du dumme Kuh! Hinter der nächsten Kurve geht es steil bergab, das ist viel zu gefähr-«
    Bevor Josefine wusste, wie ihr geschah, hatte sie die Kurve erreicht. Der Weg, der sich gerade noch mehr oder weniger gerade durch den Wald gezogen hatte, schlängelte sich von hier an steil und kurvig ins Dorf hinab. Du meine Güte, was war das?
    Von einer Sekunde auf die andere gewann Josefine an Fahrt, nur mit Mühe gelang es ihr, die ersten drei, vier Biegungen zu meistern. Den Lenker links, rechts, weiter rechts, links. Ihre Füße hatten längst die Pedale verlassen, gruben sich verzweifelt in den verharschten Waldboden, fanden keinen Halt, schlitterten weiter. Ihr Oberkörper lehnte nun weit über dem Lenker. Gleich würde sie vornüberfallen und –
    »Lilo! Hilfe!«
    »In den Wald hinein, nach links steuern! Du musst das Velo bergauf lenken!« Lilos Stimme, schrill und angstvoll – und weit entfernt.
    Bergauf? Links, rechts, links, alles ging so schnell, schneller, als sie schauen konnte. Überall Bäume, und kein Durchkommen möglich. In einer abrupten Bewegung und völlig gegen ihr Bauchgefühl riss Josefine den Lenker links herum. Das Vorderrad knallte gegen einen Baum, sie selbst wurde über den Lenker auf den Boden geschleudert, ihre Wange streifte die harsche Rinde der Tanne. Noch im Fallen biss sie sich auf die Lippe, dann knallte sie zuerst mit dem rechten Ellenbogen und schließlich mit dem Rest ihres Körpers unsanft auf dem Waldboden auf.
    »Jo? Josefine?«
    Jemand rüttelte an ihrem rechten Arm. Lodernde Flammen schossen durch ihr Fleisch. Stöhnend öffnete sie die Augen.
    »Hast du dir was gebrochen? Kannst du deine Arme bewegen? Und deine Beine?« Mit angstvoll aufgerissenen Augen beugte sich Lilo über Josefines zusammengekrümmten Körper.
    Prüfend wackelte Josefine erst mit dem rechten Fuß, dann mit dem linken. Ihre Schuhe waren ruiniert, so viel stand fest. Sie hatte den metallischen Geschmack von Blut auf ihrer Zunge. Ihre Glieder, allen voran der rechte Arm, schmerzten, die Sehnen brannten, ihr Rücken fühlte sich an, als würde er im unteren Drittel auseinanderbrechen, aber sonst …
    Stöhnend rappelte sie sich so weit auf, dass sie sich an den Baum, der ihr zuvor so dreist im Weg gestanden hatte, lehnen konnte. Mit glänzenden Augen schaute sie Lilo an.
    »Darf ich das noch einmal probieren?«
    Dem Velo war nichts geschehen. Lediglich am vorderen Teil des Rahmens hatte es einen Kratzer abbekommen, Lilo wollte ihn mit etwas Lack aus der Werkstatt ihres Vaters überdecken.
    Josefine, die mit dem lieben Gott zuvor so viel gehadert hatte, sagte im Stillen nun brav danke dafür, dass sie solch ein Glück gehabt hatte.
    Lilo war stinkwütend. Den ganzen Heimweg über, während sie das Rad schob und Josefine geknickt neben ihr herhumpelte, schimpfte sie vor sich hin. Wie konnte man nur so unvernünftig

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