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Solang die Welt noch schläft (German Edition)

Solang die Welt noch schläft (German Edition)

Titel: Solang die Welt noch schläft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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tust und ich dir für alles so unendlich dankbar bin.«
    Die Zornesfalte auf Herrenhus’ Stirn vertiefte sich, ihre Erklärung schien ihn nicht zufriedenzustellen.
    »Ich bin Ihnen ebenfalls sehr dankbar, und das wollte ich Ihnen mit meiner Idee zeigen«, fügte Jo hinzu. Allmählich bildete sich wieder ein wenig Spucke in ihrem Mund, das Reden fiel ihr in doppelter Hinsicht leichter. »Nun haben Sie uns ertappt …«
    »Und unsere Überraschung ist keine mehr«, ergänzte Isabelle und brach in Tränen aus.
    Josefine spürte, wie der Kloß in ihrem Hals immer pelziger wurde. Und ehe sie sichs versah, flossen auch bei ihr die Tränen. Das war es dann wohl mit den morgendlichen Fahrten. Nun war alles vorbei …
    Der Unternehmer schaute die beiden weinenden jungen Frauen schwankend an. »Eigentlich gehört euch für diese Geschichte der Hintern versohlt! Aber wenn es so ist, wie ihr sagt, habt ihr es ja nur gut gemeint. Trotzdem – das ist die dümmste Idee, die ich seit langem gehört habe. Isabelle!«, herrschte er seine Tochter an. »Wie konntest du annehmen, dass ich dich in diesem … Aufzug vor meinen Gästen auftreten lassen würde?« Er fuchtelte mit seiner rechten Hand wild durch die Luft.
    »Nicht?«, sagte Isabelle mit leiser Stimme.
    »Einen Auftritt deiner Freundin als Clown fände ich persönlich ganz amüsant – das wäre bestimmt eine Riesenbelustigung für unsere Gäste. Aber deine Mutter würde mir dafür den Kopf abreißen, sie liebt es schließlich stilvoll.« Der Unternehmer klang fast ein wenig enttäuscht. Dann klatschte er in die Hände. »Genug von diesem Affentheater. Räumt die Velos in den Schuppen. Und wehe, ich erwische euch noch einmal hier! Isabelle, in zehn Minuten bist du ordentlich gekleidet im Salon, ich möchte ein Wörtchen mit dir über gestern Abend reden, wo du wieder einmal meine Erwartungen bitter enttäuscht hast …«
    Das war gerade noch einmal gutgegangen! Die jungen Frauen tauschten einen erleichterten Blick. Dann stapfte Isabelle mit gesenktem Kopf hinter ihrem Vater ins Haus.

    »Ihr wolltet in den Zoo einbrechen? Und dabei hast du dir den Arm verletzt? Und dann hat euch auch noch Moritz Herrenhus erwischt?« Clara, die eine Heilcreme auf Jos rechten Ellenbogen aufgetragen hatte, hielt mitten in der Bewegung inne. Fassungslos schaute sie Josefine an.
    Jo nickte unglücklich.
    »Ihr seid noch verrückter, als ich dachte.« Wütend knallte Clara das Cremetöpfchen auf den runden Tisch vor ihrem Fenster. »Und ich rühre dir auch noch eine Heilsalbe an!« Mit zusammengepressten Lippen wischte sie sich die Hände an einem weißen Tuch ab. »Zukünftig kannst du dich selbst verarzten.«
    »Jetzt sei doch nicht so«, bat Josefine und rollte den Ärmel ihrer Bluse vorsichtig über den verletzten Ellenbogen. »Mit dem Velospaß ist’s jetzt sowieso erst einmal aus und vorbei. Ich könnte heulen, wenn ich daran denke.«
    »Spaß! Ist das alles, was für dich zählt? Kannst du vor lauter Spaß nicht mehr zwischen Recht und Unrecht unterscheiden?« Clara hob ihre Hand und begann an den Fingern Jos Sünden aufzuzählen: »Du lügst deine Eltern an. Du ›leihst‹ dir das Velo von Moritz Herrenhus aus. Du verkleidest dich als Mann. Du fährst in der Stadt Velo, dabei ist auch das Männersache! Und nun wolltet ihr auch noch in den Zoo einbrechen – ungeheuerlich finde ich das alles.«

    Jo konnte sich nicht daran erinnern, dass Clara sie je so angefahren hatte. »Ich weiß, dass es nicht richtig ist, was ich tue. Aber wenn du es genau betrachtest, schade ich doch niemandem damit. Das Velo von Moritz Herrenhus stand monatelang einfach nur herum, er ist nie damit gefahren – woher hätten wir denn wissen sollen, dass es ihn plötzlich wieder reizt?«, erwiderte sie verzweifelt. Sie ergriff Claras Hände, drückte sie. »Bitte versuch doch, mich zu verstehen – sobald ich auf dem Velo sitze, ist mein Ärger über daheim wie weggeblasen. Und dann dieses Freiheitsgefühl … All die Jahre war mein Leben auf die Görlitzer Straße beschränkt. Dank dem Velo ist die Welt irgendwie grenzenlos geworden.«
    Ihr Blick fiel auf Claras Schreibtisch, wo ein dicker Stapel Bücher lag. Pharmakologie , Toxische Erkrankungen der Haut und ihre Behandlung , Die Sepsis  – Clara schien es mit ihrer Arbeit in der Apotheke wirklich ernst zu meinen. Noch vor wenigen Wochen hätte sie die Freundin belächelt, doch inzwischen konnte sie Claras Wissbegierde verstehen. Sehnsüchtig dachte sie

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