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Solang die Welt noch schläft (German Edition)

Solang die Welt noch schläft (German Edition)

Titel: Solang die Welt noch schläft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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eigentlich, dass es einen Mann für alles gibt …«
    Oskar Reutter lachte. »Das war vielleicht früher einmal so. Da brachte man etwas, das kaputtging, zum Schlosser oder zum Zimmermann. Die nahmen Hammer, Feile oder Amboss und machten es wieder heil. Aber heute, in unserer technisierten Welt …« Er bedeutete ihr, ihm ins Büro zu folgen. Dort setzte er sich an ein kleines Tischchen, auf dem ein Teller mit einigen Leberwurstbroten stand. Josefine bot er den zweiten Stuhl an.
    »Das hat meine Frau für mich hergerichtet, weil ich später noch Buchhaltung machen muss. Bedien dich ruhig, damals im Zug haben dir meine Stullen doch auch gut geschmeckt, wenn ich mich richtig erinnere.«
    Josefine, deren Magen schon laut knurrte, seit sie die Brote entdeckt hatte, griff zu. Das Brot war dick mit Wurst bestrichen, nicht wie bei ihr zu Hause, wo die Wurst nur gekratzt wurde. Nach den ersten Bissen sagte sie: »Sie haben doch auch eines dieser neuen Velozipede. Sind Sie zufrieden damit?«
    Nachdem Oskar Reutter seine Lobeshymne auf sein Velo beendet hatte, sagte Josefine: »Wissen Sie zufällig, ob es Leute gibt, die solche Fahrräder reparieren?«
    Oskar Reutter lachte. »Kannst du Gedanken lesen? Seit zwei Wochen steht mein schöner Drahtesel im Stall, weil mir bei einem Sturz die Gabel gebrochen ist. Der Schlosser, bei dem ich war, weigert sich, das Teil zu schweißen, weil er befürchtet, dass dann die Stabilität verlorengeht. Und bis der Hersteller mir ein Ersatzteil schickt, kann einige Zeit vergehen.« Mit einem lauten Plopp öffnete er eine Flasche Bier. Fragend hielt er sie Josefine entgegen. »Du auch?«
    Josefine winkte ab. In ihrem Kopf ratterte es so heftig, dass sie Mühe hatte, ihre Gedanken zu ordnen. Es gab also keine Fachleute, die Velozipede reparierten.
    »Darf ich Sie noch etwas fragen?«, begann sie erneut und nahm sich eine weitere Scheibe Brot.
    »Natürlich«, sagte der alte Mann freundlich.
    »Wie wird man zu solch einem Mechaniker? Oder einem Elektriker?«
    Oskar Reutter nickte gewichtig. »Eine gute Frage! Inzwischen gibt es spezielle Berufsausbildungen, die mindestens zwei, eher aber drei bis vier Jahre dauern – es handelt sich schließlich um sehr vielfältige und schwierige Tätigkeiten. Meist sind es die großen Fabriken, die solche Fachleute für den eigenen Bedarf ausbilden, aber es gibt auch kleine Werkstätten, in denen ein Meister sich abmüht, seinen Lehrjungen etwas Anständiges beizubringen.«
    »Seinen Lehrjungen?« Josefine verzog den Mund, dann sagte sie zögerlich: »Von einem … Lehrmädchen haben Sie noch nichts gehört?«
    »Ach, daher weht der Wind! Ich bin heute Abend wirklich sehr schwer von Begriff«, erwiderte Oskar Reutter lachend. »Du willst deinen Vater verlassen und endlich etwas mit deinem Leben anfangen?« Als er ihren erschrockenen Blick sah, hob er abwehrend die Hände. »Keine Sorge, das bleibt unter uns. Oder denkst du, dass ich gleich morgen früh zum Schmied-Schmied renne und ihm brühwarm von unserem Gespräch erzähle?«
    Erleichtert lehnte sich Josefine auf ihrem Stuhl zurück. Ob sie sich wohl noch ein Brot nehmen durfte?
    »Deine Idee ist nicht schlecht, Mädchen, dir würde ich so etwas sogar zutrauen. Aber ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass solche Berufe für junge Damen zugänglich sind. Eins verspreche ich dir jedoch: Sobald ich von jemandem höre, der bereit ist, ein Lehrmädchen zum Mechaniker auszubilden, sage ich dir sofort Bescheid. Und wenn du erst einmal so weit bist, werde ich dein erster Kunde sein.«
    »Es ist wie verhext, bald habe ich das ganze Feuerland abgeklappert, ohne jeden Erfolg!«, sagte Josefine zwei Wochen später zu Frieda. Sie saßen in Friedas Garten an deren ausgedientem Küchentisch, vor der hochsommerlichen Sonne geschützt durch das dichte Blätterwerk des Walnussbaumes, der im Laufe der Jahre viel zu groß für den kleinen Stadtgarten geworden war und ihn fast vollständig beschattete. Fast die ganze Oberfläche des Tisches war übersät mit Farbtuben, Pinseln, alten Lappen und einer Dose Terpentin. Vor Frieda stand eine kleine Staffelei mit einem Gemälde, von dem nur sie wusste, was es einmal werden sollte. Malen war Friedas neueste Leidenschaft.
    »In mindestens zehn Fabriken habe ich vorgesprochen, angefangen bei einer Eisengießerei bis hin zu großen Maschinenfabriken. Überall haben sie mich abblitzen lassen.«
    »Feuerland?«, nuschelte Frieda, die einen Pinsel zwischen den Zähnen hielt und rätselnd

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