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Solang die Welt noch schläft (German Edition)

Solang die Welt noch schläft (German Edition)

Titel: Solang die Welt noch schläft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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Pult. »Was ist hier los? Was flüstert ihr zwei miteinander? Du da, wie lungerst du wieder herum? Sitz gerade!« Schon touchierte sein Stock Marthas Rücken.
    »Ich versuch’s ja. Aber ich … ich kann nicht«, wisperte die Schwangere.
    »Du willst vielleicht nicht, das trifft es doch eher.« Wieder einmal verteilte Krotzmann kleine Spuckefetzen mit seiner Rede. »Da opfere ich meine wertvolle Zeit für euch, da opfere ich mein Leben , und was ist der Dank?«
    Er hob den Stock in die Höhe.
    Unwillkürlich duckte sich Josefine. Es kam öfter vor, dass der Lehrer nicht nur die in seinen Augen »Schuldige«, sondern deren Nachbarin gleich mit strafte.
    Doch Krotzmanns Stock hielt mitten in der Bewegung inne. Sein Blick fuhr über die Bänke, von hinten nach vorn und wieder zurück. Kurz verweilte er an der Tafel mit dem Weihnachtsgedicht. Der Lehrer lachte schrill.
    »Von wegen frohes Fest! Von wegen Pädagogik und Disziplin! Wenn ich euch sehe, könnte ich vor Wut aus der Haut fahren!« Mit dem letzten Wort ließ er seinen Stock auf Martha hinuntersausen. »Herumhuren, morden und stehlen – das könnt ihr, aber von Anstand und Moral keine Spur! Und da soll ich euch Gedichte beibringen? Das bring ich euch bei! Und das! Und das! Und –« Immer und immer wieder prasselte sein Stock auf die Schwangere nieder.
    Wimmernd und mit über dem Kopf verschränkten Händen versuchte Martha vergeblich, sich zu schützen.
    Josefine zitterte vor Wut und Entsetzen. »Hören Sie auf! Sofort!«, schrie sie. Sie sprang hoch, zerrte an Krotzmanns Arm, doch er schüttelte sie ab wie ein lästiges Insekt.
    Sein Stock traf Josefines Hals und erwischte genau die Stelle, wo die Schlagader verlief. Wahnsinniger Schmerz überfiel sie, ihr wurde schwarz vor Augen, sie taumelte aufjaulend nach hinten.
    Von Martha war nicht mehr als ein leises Wimmern zu hören. Krotzmann prügelte weiter auf sie ein. Seine Flüche und Beschimpfungen wurden noch wüster, seine Stimme so laut, dass sie sich überschlug.
    Die anderen Mädchen wurden unruhig. Was war los mit dem Mann? So hatte er noch nie zugeschlagen. War er verrückt geworden?
    Vergeblich versuchte Josefine, sich an der Wand hochzurappeln. »So tut doch etwas …« Ihre Stimme war rau vor Schmerz, ihre Knie gaben erneut nach. Wie durch einen Nebel bekam sie mit, dass der Tumult im Klassenzimmer heftiger wurde. Unter Schmerzen hob sie ihren Kopf und sah, wie sich Adele mit einem lauten Schrei auf den Lehrer warf und mit ihm um den Stock kämpfte.
    »Du wagst es …« Krotzmanns Augen waren weiß wie die eines durchgehenden Pferdes. Doch Adele entriss ihm den Stock und stieß den Mann brutal zu Boden.
    »Das war das letzte Mal, dass du eine schwangere Frau geschlagen hast, du elender Kerl!« Im nächsten Moment saß sie bäuchlings auf ihm und drückte ihm den Stock gegen die Kehle. Ihr Oberkörper bebte, in ihren Augen blitzte unverhohlener Hass. Krotzmanns Adamsapfel machte ein gurgelndes Geräusch, als sie den Stock fester gegen seine Kehle presste. Seine Beine zappelten wie die eines Käfers, der auf den Rücken gefallen war.
    Niemanden hielt es mehr auf seinem Stuhl. Noch immer wie gelähmt durch Krotzmanns rücksichtslosen Schlag, beobachtete Josefine, wie sich Adeles Gefolge um sie scharte.
    »Hör auf«, raunte Josefine Adele zu. »Er röchelt schon. Du bringst ihn noch um.«
    »Und wennschon. Einer wie er verdient es nicht anders.«
    »Genau! Schlag ihn tot!«
    »Gib’s ihm, Adele, los!«
    »Wie oft hat er uns geprügelt, nun ist er dran!«
    Wie entfesselt feuerten die Frauen ihre Anführerin an.
    »Schluss jetzt! Ein Unrecht macht ein anderes nicht wett«, fauchte Josefine. »Mach dich nicht unglücklich!«
    »Ich unglücklich?« Adeles schrilles Lachen ertönte – und danach eine andere Stimme.
    »Hinsetzen! Alle!« Mit bebendem Busen und zitternd vor Aufregung stand die Oberaufseherin in der Tür, flankiert von zwei männlichen Wärtern aus der Erwachsenenstrafanstalt.
    Vom »Kerker« hatte Josefine bisher nur gehört. Schreckensgeschichten, eine gruseliger als die andere, die man sich leise bei Tisch oder während des Schlafengehens zuflüsterte. Es kam selten vor, dass jemand aus der Jugendabteilung dort untergebracht wurde – dorthinein wurden die erwachsenen Sträflinge gesteckt, die sich im Gefängnis eines weiteren Verbrechens schuldig gemacht hatten. So manch eine sei allein im Kerker, wo es nur Wasser und trockenes Brot gab, verrückt geworden, hieß es.
    Nun stellte

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