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Solang die Welt noch schläft (German Edition)

Solang die Welt noch schläft (German Edition)

Titel: Solang die Welt noch schläft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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Jo fest, dass es sich bei dem Kerker weder um einen mittelalterlichen, fensterlosen Zwinger handelte noch um ein in die Erde gegrabenes Verlies. Es liefen keine Ratten herum und auch keine handtellergroßen Spinnen. Der Kerker war lediglich ein quadratischer Raum mit unverputzten Mauern und nichts darin. Kein Bett. Kein Tisch. Nur ein paar muffige alte Decken lagen in einer Ecke. Daneben stand ein Eimer. Sollten sie darauf ihre Geschäfte verrichten? Jo fröstelte. Der feuchte Geruch, der von den unverputzten Wänden ausging, kratzte unangenehm in ihrer Nase.
    Sie zog eine Decke heran und setzte sich mit dem Rücken zur Wand. Sogleich kroch die Kälte in ihre Knochen. Seufzend ging sie in die Hocke.
    »Hier holen wir uns den Tod«, sagte sie leise.
    »Genau das wollen sie doch. Dabei gehört ein ganz anderer hierher.« Adeles Blick war noch immer schwarz vor Rage, ihre Stimme unversöhnlich.
    Josefine hob die Augenbrauen, sagte aber nichts. Innerlich gab sie Adele jedoch recht.
    Die Bandenanführerin hatte sich nicht wehrlos ergeben. Vielmehr hatten die Wärter Mühe gehabt, sie von Krotzmann loszubekommen. Adele hatte es ernst gemeint.
    Kaum wieder auf den Beinen, hatte Krotzmann sie und Josefine als Meuchelmörder tituliert und behauptet, dass sie ihn hinterrücks überfallen hätten. Martha, die es besser wusste, hatte geschwiegen. Adele hatte auch nichts gesagt, aber in ihren Augen hatte noch immer Mordlust gelodert. Josefines Sicht der Dinge hatte die Oberaufseherin erst gar nicht hören wollen. Zehn Tage Kerker für beide, lautete ihr Urteil.
    Jo betastete den dicken Striemen, den Krotzmanns Stock an ihrem Hals hinterlassen hatte. Die Haut fühlte sich wund und heiß an. Weihnachten im Kerker – es wurde immer schlimmer.
    Wütend fuhr sie Adele an: »Seit ich dich kenne, warst du immer nur auf deinen Vorteil aus. Martha hat dich nie einen Dreck gekümmert. Doch vorhin hättest du wegen ihr um ein Haar Krotzmann umgebracht. Warum?«
    Adele schnaubte und schaute trotzig fort.
    Dann eben nicht! Geräuschvoll zog Josefine die Nase hoch. Ein Schnupfen war ihr jetzt schon sicher, so viel stand fest. Und daraus konnte schnell eine Lungenentzündung werden. Was, wenn sie dieses Weihnachtsfest wirklich nicht überlebte? Was, wenn Adele sie im Schlaf überfiel? Beide Gedanken waren so erschreckend, dass sie sich ihnen lieber nicht länger widmete.
    Um sich abzulenken, zog sie die beiden Briefe aus ihrer Rocktasche. Sie waren warm und zerknittert. Claras Brief roch ein wenig nach Lavendel und Zitrone. Als Jo mit dem Zeigefingernagel das Kuvert aufschlitzte, dröhnte das Geräusch laut in ihren Ohren.
    Liebe Josefine,
    nun sind schon vier Wochen seit unserem Besuch bei dir vergangen, und ich habe ein schlechtes Gewissen, dass ich dich seitdem nicht mehr besucht habe. Aber es ist jeden Tag so viel Arbeit zu tun in der Apotheke! Die kalte Jahreszeit macht den Menschen seit jeher zu schaffen, sie kaufen Hustensaft, Mentholbonbons und Salben zum Einreiben für die Brust en gros. Und ich habe Mühe, mit der Herstellung der Arznei hinterherzukommen.
    Josefine lächelte. Sie konnte sich Clara in ihrem blütenweißen Kittel, in dem sie mit seligem Gesichtsausdruck eine Salbe anrührte, sehr gut vorstellen.
    Isabelle habe ich seit damals nicht wiedergesehen. Sie geht ihre eigenen Wege, wahrscheinlich ist ihr Herr Papa ziemlich hinter ihr her, damit sie nun endlich »eine gute Partie macht«. Stell dir vor, manchmal wird sie sogar mit ein, zwei Zeilen in einem Zeitungsbericht erwähnt! Dann heißt es: Der Bekleidungsfabrikant Moritz Herrenhus erwies diesem oder jenem Fest in Begleitung seiner reizenden Gattin und seiner Tochter Isabelle die Ehre. Einmal war Isabelle sogar auf einem Foto zu sehen, sehr elegant hat sie ausgesehen. Ach, was würde ich darum geben, nur einmal bei solch einem Fest dabei sein zu können!
    Aber, liebe Jo, ich will mich nicht beklagen. Denn auch ich habe etwas Aufregendes zu berichten: Kannst du dich noch daran erinnern, dass ich dir einst von einem interessanten Arzt vorschwärmte, dem ich im Krankenhaus begegnet bin, als ich dort wegen meines gebrochenen Beins behandelt wurde? Liebe Josefine, halte dich fest – genau dieser Arzt, Gerhard Gropius ist sein Name, ist der Nachfolger vom alten Fritsche!
    Josefine schloss die Augen. Auf einmal hatte sie Claras Stimme im Ohr, auf einmal sah sie ihre vor Aufregung rosig geröteten Wangen vor sich. Ach, warum konnten sie sich nicht einfach bei einer Tasse Tee

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