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Solang die Welt noch schläft (German Edition)

Solang die Welt noch schläft (German Edition)

Titel: Solang die Welt noch schläft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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gelegen hatte. Eine leichte Erkältung, versuchte sie sich zu trösten. Frierend schlug sie beide Arme um sich, bemühte sich, durch Auf-und-ab-Gehen in der engen Zelle ein wenig Wärme zu erzeugen, doch vor lauter Schwäche hielt es sie nicht lange auf den Beinen. Die zwei trockenen Scheiben Graubrot, die die Wärterin ihr am Abend gebracht hatte, konnte sie nicht essen, das Kauen strengte sie zu sehr an. Schweigend hielt sie Adele das Brot hin. Ihr Kopf schmerzte, und das Denken fiel ihr immer schwerer.
    Adele schaute sie befremdet und besorgt zugleich an. »Soll ich die Wärterin holen?«, fragte sie mehrmals. Das erste Mal winkte Josefine unwirsch ab. Wozu? Wegen einer kleinen Erkältung würde sie den Kerker gewiss nicht verlassen dürfen. Außerdem – so seltsam sie den Gedanken selbst auch fand – wollte sie Adele nicht allein zurücklassen.
    Der Husten ließ nach, dafür stieg das Fieber. Bald war Josefine nicht mehr bei klarem Verstand.
    Gegen drei Uhr am Morgen trommelte Adele so lange mit beiden Fäusten gegen die Tür, bis sie schließlich geöffnet wurde.
    »Sie glüht wie ein Kohleofen«, sagte sie mit einem knappen Kopfnicken in Josefines Richtung. »Ein Arzt muss her.«
    Die Wärterin warf von der Tür aus einen misstrauischen Blick erst auf Adele, dann auf die am Boden zusammengekauerte Jo.
    »Alles nur Theater!« Ohne ein weiteres Wort fiel die Tür ins Schloss.
    Wütend schlug Adele abermals gegen die Tür.
    Zehn Minuten später erschien die Wärterin erneut, sie hatte die Oberaufseherin zur Verstärkung mitgebracht. Diese schaute Adele verächtlich an. »Von wegen Fieber! Was schwebte euch mit diesem Theaterspiel hier vor? Ein gemütliches Bett auf der Krankenstation? Ein paar Decken mehr? Oder wolltest du der Nachtwärterin gleich eins über den Schädel ziehen? Glaub bloß nicht, dass wir auf irgendeinen eurer Tricks hereinfallen!« Mit einem lauten Knall stellte sie einen Eimer mit Wasser in der Zelle ab. Ein Teil davon schwappte auf den kalten Boden. »Das hier wird euer ›Fieber‹ senken! Mehr gibt’s nicht.«
    Josefine bekam von alldem nichts mit. Ihr Kopf tat so weh, dass sie ihn am liebsten gegen die Wand geschlagen hätte. Ihr ganzer Körper schmerzte, vor allem aber ihr Genick und ihre Schultern. Alles war steif und verkrampft, als würde eine giftige Flüssigkeit durch ihre Adern laufen und sie von innen heraus zerstören.
    Ein leises Ratschen ertönte, als Adele von ihrem Rock einen Streifen abriss und diesen in den Wassereimer tunkte.
    Wie durch einen Nebel merkte Josefine, dass Adele ihren Kopf auf ihren Schoß zog. Im nächsten Moment spürte sie etwas Kaltes, Nasses auf ihrer Stirn. Sie wimmerte. Dann schlug sie um sich.
    »Halt still, verdammt noch mal! Ich will dir doch nur helfen«, zischte Adele. Während sie mit der rechten Hand Jo festhielt, tupfte sie mit der linken deren Stirn ab.
    Der nasse, kalte Lappen schien auf Jos Haut regelrecht zu verglühen. Ihr Kopfschmerz wurde noch heftiger.
    Würde sie sterben? Vom Fieber weggerafft werden, hier in diesem elenden Bunker? Würde der liebe Gott nun vollenden, was er nach Felix’ Tod nicht geschafft hatte?
    Adele tunkte den Lappen erneut ins Wasser. »Nicht schlappmachen, Mädchen! Und wenn ich das die ganze Nacht hindurch machen muss – du stirbst nicht!«
    Mit letzter Kraft schlug Jo die Augen auf. Adeles Miene war verbissen, sie schien es ernst zu meinen. Vielleicht war das gut so. Denn eigentlich wollte sie gar nicht sterben. Sie hatte doch so viele Pläne. Sie wollte es noch so vielen Menschen zeigen.
    Mit einem tiefen Seufzen schloss Jo die Augen wieder, während Adele ihr erneut den nassen Lappen aufs Gesicht legte.

15. Kapitel
    Anfang Januar einmal quer mit der Stadtbahn durch Berlin zu fahren, um zu Adrians Veloverein zu gelangen, war wegen der ungeheizten Waggons voller hüstelnder und schnupfender Menschen nicht unbedingt ein Vergnügen. Doch Isabelle, dick eingepackt in ihren neuen Pelzmantel, ertrug es gern. Der silbergraue Polarfuchs war ein Weihnachtsgeschenk ihres Vaters, das er ihr mit den Worten »Als zukünftige Frau Neumann musst du doch angemessen gekleidet auftreten« überreicht hatte. Als zukünftige Frau Neumann! Dass ihre Finte so gut funktionieren würde, hätte sie selbst nicht geglaubt. Aber seit ihr Vater davon ausging, dass sie und Adrian Neumann eine gemeinsame Zukunft planten, ließ er sie tatsächlich in Ruhe. Endlich musste sie nicht mehr von einem Ball zum nächsten fahren und dann am

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