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Solang die Welt noch schläft (German Edition)

Solang die Welt noch schläft (German Edition)

Titel: Solang die Welt noch schläft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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Velozipedisten ließ jeden Satz fast überschäumen.
    Leon Feininger war nicht nur über die österreichischen Berge bis nach Italien gefahren, sondern hatte auch eine Distanzfahrt von Wien nach Berlin unternommen, und zwar im letzten Sommer. Hatte ihr Vater nicht von dieser Fahrt erzählt? Wenn sie sich richtig erinnerte, war dieses Unternehmen damals erst in der Planung gewesen, nun las sie, dass die Fahrt über mehr als fünfhundert Kilometer tatsächlich stattgefunden hatte. Ob ihr Vater das wusste, ob es ihn noch interessierte? Fasziniert las Isabelle weiter und fand heraus, dass Feininger während dieser Fahrt eine Sehnenzerrung am linken Bein erlitten hatte, was ihn jedoch nicht von der Fortsetzung der Tour abgehalten hatte. Einen zeitlichen Rekord konnte er aufgrund dieser Erschwernis nicht aufstellen, führte der Schreiberling, offenbar leicht enttäuscht, aus – Feininger habe knapp dreißig Stunden für die Strecke benötigt.
    In nur dreißig Stunden mit dem Fahrrad von Wien nach Berlin! Isabelle war beeindruckt. Aber so couragiert, resolut und keck, wie dieser Leon aussah, traute sie ihm solche Heldentaten ohne weiteres zu. Abenteuerlust regte sich in ihr wie ein Löwe, der in einem viel zu kleinen Käfig eingesperrt war. Was würde sie darum geben, auch solche Abenteuer erleben zu dürfen! Wenigstens ein einziges …
    Im nächsten Moment wurde ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Rennbahn gelenkt. Am Rand hatte sich ein älterer Mann platziert, von wo aus er dem einen oder anderen Fahrer immer wieder etwas zurief. Durch die Glasscheibe konnte Isabelle ihn nicht verstehen, sie nahm aber an, dass es sich um einen Trainer handelte, der seinen Schützlingen hilfreiche Tipps gab.
    Eine Welle von Unmut, so plötzlich und unerwartet wie ein Sturzregen, überschwemmte sie. Der elegante Veloverein, ein Trainer, die sportliche Kluft der Fahrer, Abenteuerfahrten von Wien nach Berlin – wussten die Männer überhaupt, wie gut sie es hatten? Schlagartig wurde Isabelle bewusst, wie sehr sie das Radfahren vermisste. Warum hatte sie es nicht weiterbetrieben? Warum hatte sie sich nicht ihrem Vater gegenüber durchgesetzt und erreicht, dass sie weiter mit ihrem Damenrad fahren durfte? Klein beigegeben hatte sie, sich einfach seinem Willen gebeugt. So viel zum Thema Abenteuerlust …
    »Ganz schön ungerecht, das Ganze, nicht wahr?«, ertönte plötzlich eine bekannte Stimme neben ihr.
    Isabelle drehte sich um. »Ach, Irene!« Auch das noch.
    »Ich weiß gar nicht, warum ich immer wieder hierherkomme«, sagte Adrians Schwester und setzte sich ihr gegenüber. »Jedes Mal gehe ich unzufriedener nach Hause, als ich gekommen bin.« Sie nickte in Richtung der Rennbahn.
    »Tja, solche Möglichkeiten müssten wir Frauen haben«, bestätigte Isabelle, die Irene normalerweise am liebsten ignorierte. »Wenn ich daran denke, wie mühsam Josefine und ich uns das Velofahren selbst beigebracht haben … Wie wir am besten einen Berg mit dem Velo erklimmen. Und wie wir wieder heil herunterkommen. Wie Kurven am ungefährlichsten zu bewältigen sind und so weiter.«
    Irene kniff die Augen zusammen. »Josefine – ist das die Frau, die das Velo deines Vaters entwendet und damit einen Unfall gehabt hat? Ich habe in der Zeitung davon gelesen.«
    Isabelle nickte. »Das wäre alles nicht passiert, wenn wir nicht zu dieser elenden Heimlichtuerei verdammt gewesen wären. Hätten Josefine und ich öffentlich, so wie die Männer, Velo fahren dürfen, wäre Jo nicht in diese Riesenschwierigkeiten geraten. An allem ist nur mein Vater mit seinen dummen Verboten schuld. Mir wird ganz elend, wenn ich nur daran denke.«
    »Mein Vater duldet zwar, dass ich Velo fahre, allerdings nur, wenn wir in unserem Landhaus bei Potsdam sind. Auf dem Land sieht mich wenigstens niemand, meint er.« Irene zog eine Schnute, was ihr Gesicht noch unattraktiver erscheinen ließ. »Ich bin gespannt, was er sagen wird, wenn er erfährt, dass seine zukünftige Schwiegertochter auch eins von diesen Fahrradweibern ist.« Der Hohn in Irenes Stimme war nicht zu überhören.
    Isabelle wandte rasch den Blick ab. Obwohl Adrian ihr hoch und heilig versichert hatte, mit keinem einzigen Menschen über ihre Vereinbarung gesprochen zu haben, hatte sie das Gefühl, von Irene durchschaut zu werden. Und sie konnte nicht behaupten, dass ihr das gefiel.
    »Das Velofahren ist nur eines von vielen Dingen, die Adrian und mich verbinden«, sagte sie mit zuckersüßer Stimme.
    Irene hob

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