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Solang die Welt noch schläft (German Edition)

Solang die Welt noch schläft (German Edition)

Titel: Solang die Welt noch schläft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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vielsagend die Brauen, schwieg aber. Vielleicht hatte ihr Vater ihr verboten, sich zu diesem Thema zu äußern?
    Eine Zeitlang saßen sie stumm da und schauten den Männern beim Radfahren zu. Josefine würden die Augen übergehen, wenn sie diese Pracht hier sehen würde, dachte Isabelle. Einen eigenen Fahrradverein nur für Damen zu eröffnen – das war Jos Traum gewesen. Einer von vielen, die zerplatzt waren.
    Nach einigen Minuten drehte sich Isabelle zu Adrians Schwester um und sagte unvermittelt: »Weißt du, worauf ich größte Lust hätte?«

    Am 4. Januar 1892, nach zehn Tagen, durften Josefine und Adele den Kerker wieder verlassen. Noch immer geschwächt von der schweren Erkältung samt dem hohen Fieber, blass und mit gedrücktem Gemüt faltete sie unter dem strengen Blick einer Wärterin ein letztes Mal ihre klamme Decke zusammen. Im Türrahmen hielt sie so abrupt inne, dass Adele fast gegen sie gestoßen wäre.
    »Danke«, sagte sie. »Ohne dich wäre ich an dem Fieber gestorben. Du hast mir das Leben gerettet.«
    Adele verzog den Mund. »Nun werd mal nicht pathetisch! Dafür hast du dem alten Krotzmann das Leben gerettet.«
    Jo fröstelte. Sie wollte schon weitergehen, als Adele sie am Arm festhielt.
    »Du wolltest doch wissen, warum ich Martha geholfen habe.«
    Jo nickte vage.
    Adele hob ihr Kinn unmerklich und fixierte die Wärterin, als wollte sie sagen: Wage es nicht, mich zu drängeln! Und tatsächlich – die Frau trat einen Schritt zurück und stand mit verschränkten Armen wartend da. Leise begann Adele zu erzählen: »Mein Vater war ein Typ wie Krotzmann. Einer, der schlug. Gern und oft. Und meist ohne Grund, er musste nicht mal betrunken dafür sein. Es hat ihm einfach Spaß gemacht. Als meine Mutter wieder einmal schwanger war, war das Grund genug für Vater, sie zu prügeln. Er brauche nicht noch einen Fresser im Haus, wir wären ihm Last genug, hat er geschrien. Wir Kinder haben uns meist verzogen, wenn er zu toben anfing. Aber Mutters Schreie hörte man im ganzen Haus. Ich hab mich jedes Mal so elend gefühlt, so ohnmächtig! Er schlug fest und so oft zu, dass das Kind, das Mutter zur Welt brachte, davon schwachsinnig geworden war. Es war ein Mädchen und es hat ein halbes Jahr gelebt, dann ist es während eines Krampfanfalls erstickt. Mutter war danach nicht mehr dieselbe. Kurze Zeit später wurde sie abermals schwanger. Und Vater wollte erneut seine Hand gegen sie erheben. Aber dieses Mal wusste ich es zu verhindern.«
    Josefine schluckte. Sie mochte sich nicht vorstellen, was genau hinter Adeles Worten steckte.
    »Danach habe ich mir geschworen, mich immer zu wehren.« Ihre Stimme klang trotzig – und zugleich verloren.
    Josefine spürte, wie ihre ablehnende Haltung Adele gegenüber zu bröckeln begann. Waren die Erlebnisse mit dem brutalen Vater schuld daran, dass Adele nun ihrerseits andere in Angst und Schrecken versetzte? Dass die Bandenanführerin stets darauf bedacht war, den besten und größten Brocken abzubekommen? Und wenn es so war – durfte diese Rechtfertigung gelten? Jo wusste es nicht.
    »Komm«, sagte sie und tippte der anderen leicht auf die Schulter. Gemeinsam liefen sie den Gang entlang.
    Martha lag im Schlafsaal. Blass und ohne dicken Bauch.
    »Dein Kind ist da?«, fragte Josefine und umarmte sie ungelenk. Endlich einmal eine gute Nachricht.
    Ein leises Lächeln huschte über das Gesicht der Rothaarigen, doch im nächsten Moment zerfloss es. »Sie haben es mir weggenommen. Es ist zu ordentlichen Leuten gekommen. Was hätte ich hier auch damit anfangen sollen?« Mit hängenden Schultern hielt sie Adele ihre zitternde rechte Hand hin.
    »Es war ein Mädchen. Ich habe es Adele genannt.«
    Herrn Krotzmann gab es nicht mehr. Kurz nach dem Vorfall hatte er seine Arbeit aus gesundheitlichen Gründen niederlegen müssen, fügte die Rothaarige hinzu und erzählte, dass alle jungen Frauen zu Josefines und Adeles Gunsten ausgesagt hatten. Danach wurde der Lehrer nicht mehr gesehen. Warum die Gefängnisleitung Jo und Adele trotzdem zehn Tage lang im Kerker gelassen hatte, verstand niemand.
    Unterricht gab es für die Insassen der Jugendabteilung des Frauengefängnisses Barnimstraße nun nicht mehr. Das pädagogisch so wertvolle und fortschrittliche Konzept, das im kaiserlichen Schulamt entwickelt worden war, war gestorben. Arbeit von früh bis spät – so lautete nun das Zauberwort, mit dem die jugendlichen Straftäterinnen wieder auf den rechten Pfad gebracht werden

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