Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Solang die Welt noch schläft (German Edition)

Solang die Welt noch schläft (German Edition)

Titel: Solang die Welt noch schläft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
Vom Netzwerk:
sollten. Einerseits waren die jungen Frauen froh, den sadistischen Lehrer mit seinem Stock los zu sein, andererseits murrten sie über die langen und schweren Arbeitstage in der Küche oder Wäscherei, die ihnen nun blühten. Alle murrten – außer einer. Denn Josefine konnte es nicht erwarten, ihre Arbeit beim Hausmeister endlich wieder anzutreten.
    »Na, lässte dir ooch ma wieder blicken?«, sagte Gerd Melchior, als Josefine am nächsten Morgen nach dem Frühstück bei ihm in der Werkstatt erschien.
    »An mir hat’s nicht gelegen«, erwiderte sie, dann holte sie tief Luft. »Und? Was machen wir heute? Ich bin zu allem bereit.«
    Der Hausmeister grinste. »Det gloob ich uffs Wort!«

16. Kapitel
    Adrian sollte ihr Türöffner sein. Derjenige, der die anderen Mitglieder des 1. Berliner Velozipeden-Vereins davon überzeugen sollte, dass auf ihrem Gelände nun auch der 1. Berliner Damen-Veloverein entstehen würde. Mit diesem gemeinsamen Ziel vor Augen wurden ihre Ressentiments vorübergehend auf Eis gelegt. Zahllose schlagkräftige Argumente legten sie sich zurecht, Isabelle war sogar bereit, ihre heimliche »Vereinbarung« in die Waagschale zu werfen, sollte es hart auf hart kommen und Adrian sich weigern. Nun, da die Idee Gestalt in ihrem Kopf angenommen hatte, wollte sie keinesfalls mehr auf ihr Abenteuer »Radverein« verzichten.
    Aus Irenes Sicht zählte vor allem das Argument, dass die Gründung eines Damenvereins die Herren – inklusive ihres Vaters – im Gegensatz zur Gründung des Herrenvereins keine einzige Mark kosten würde. Denn sie würden alles selbst in die Hand nehmen! Und auf echtlederne Stühle und Duschräume mit vergoldeten Wasserhähnen würden sie gern verzichten.
    Als sie sich schließlich an einem Abend im Velozipeden-Verein trafen, um Adrian zu überzeugen, rechneten sie mit allem. Nur nicht damit, bei ihm offene Türen einzurennen.
    »Ein kleiner Veloverein für Damen? Diese Idee ist gut, sie hätte von mir stammen können. Ich bin schon lange der Ansicht, dass das Velo breiteren Gesellschaftsschichten zugänglich gemacht werden sollte. Ein Damenverein ist da ein guter Anfang. Aber wir sollten auch an die Fabrikarbeiter denken! Stellt euch doch mal vor, welche Wohltat das Velofahren für Arbeiter wäre, die Tag für Tag zehn Stunden oder mehr in irgendwelchen stickigen Fabrikhallen verbringen. Oder denkt an die Dienstmädchen, die den ganzen Tag auf Knien mit dem Schrubben von Böden verbringen. Sie alle könnten nach getaner Arbeit noch sportlich die frische Luft genießen. Ins Grüne hinausradeln. Das Velo könnte die ganze Gesellschaft verändern!«, sagte er voller Elan.
    Isabelle und Irene schauten sich an und vermochten ein Kichern nur mühsam zu unterdrücken. Radfahrende Fabrikarbeiter? Dienstmägde, die nach der Arbeit hinaus an den Wannsee fuhren? Adrian hatte ja noch verrücktere Ideen als sie selbst!
    Eine Woche später traf sich Adrian erneut mit ihnen. »Leicht war es nicht, unseren Vorstand und die Gründungsmitglieder davon zu überzeugen, dass auf unserem Gelände der erste Damen-Veloverein Berlins entstehen soll. Die meisten glauben einfach nicht, dass das zarte Geschlecht sich für unseren Sport eignet. Trotzdem« – er grinste spitzbübisch – »habe ich sie mit viel Überredungskunst so weit bekommen, ihre Zustimmung zu erteilen. Vater war mir dabei eine große Hilfe, er ist mir zurzeit sowieso äußerst zugetan.« An dieser Stelle schaute er Isabelle eindringlich an.
    Sie nickte grimmig – das glaubte sie aufs Wort! Inzwischen hatte ihr Vater – hochzufrieden mit der Entwicklung ihrer Beziehung zu Adrian – eine erste Zahlung an Gottlieb Neumann getätigt, um dem Großindustriellen aus dem Gröbsten herauszuhelfen. Adrians alter Herr war seinem Sohn wirklich einiges schuldig!
    »Wir bekommen tatsächlich geeignete Räumlichkeiten?«
    Adrian nickte. »Nicht nur das. Ihr dürft sogar unsere Rennbahn benutzen, allerdings nur zu Zeiten, wo keiner der Herren sie befährt. Die besten Voraussetzungen – und nun macht etwas daraus, um all die Zweifler und Kritiker eines Besseren zu belehren.«
    Es war nur eine kleine Kammer. Die Mitglieder des 1. Berliner Velozipeden-Vereins hatten sie bisher als Lagerraum für kaputte Reifen, ausrangierte Veloteile und Werkzeug genutzt. Für Isabelle und Irene konnte es im Moment jedoch keinen schöneren Raum geben.
    Nur einen Tag später stapfte Isabelle ins Kaufhaus von Oskar Reutter. Eine halbe Stunde später kam sie

Weitere Kostenlose Bücher