Solange am Himmel Sterne stehen
mir, dass er es ernst meint, was immer das bei ihm heißt.
»Und du musst darauf achten, wie die Leute, die du in dein Leben lässt, sie behandeln«, fahre ich fort. »Wenn du mit einer Frau gehst, die es darauf anlegt, deine Tochter zu kränken, meinst du nicht, dass dann irgendetwas nicht stimmt? Auf mehreren verschiedenen Ebenen?«
Rob senkt den Blick und schüttelt den Kopf. »Du kennst nicht die ganze Situation.« Er kratzt sich im Nacken und sieht lange Zeit aus dem Panoramafenster. Ich folge seinem Blick zu der kleinen Schar weißer Segelboote, die an dem herrlich blauen Horizont schaukeln, und ich frage mich, ob er, so wie ich es tue, an die erste Zeit in unserer Ehe zurückdenkt, als wir in der Nähe von Boston mit dem Boot aufs Wasser hinausfuhren, frei von allen Sorgen. Aber dann fällt mir wieder ein, dass ich zu der Zeit schwanger war und leicht seekrank wurde und Rob nur den Blick abwandte, wenn ich mich über die Bootswand übergab. Er bekam immer, was er wollte – die gefügige, folgsame Ehefrau an seiner Seite, die mit ihm das Bilderbuch-Paar abgab –, und ich setzte immer ein Lächeln auf und spielte bei allem mit. War unsere ganze Ehe unterm Strich nicht mehr gewesen als das? Ließ sie sich so leicht zusammenfassen – zu einem Bild von mir, wie ich mich über die Reling eines Segelboots übergab, während Rob tat, als würde er es nicht bemerken?
Wir wenden uns im selben Augenblick wieder zueinander um, und ich frage mich, ob er auf einer gewissen Ebene spüren kann, was ich denke. Er überrascht mich, indem er den Kopf neigt und sagt: »Es tut mir leid. Du hast recht.«
Ich bin so verblüfft, dass ich gar nicht weiß, was ich darauf erwidern soll. Ich bin mir nicht sicher, ob er in der ganzen Zeit, die ich ihn nun schon kenne, je irgendetwas eingeräumt hat. »Okay«, sage ich schließlich.
»Ich werde mich darum kümmern«, sagt er. »Es tut mir leid, dass ich ihr wehgetan habe.«
»Okay«, sage ich noch einmal, und ich bin wirklich dankbar. Nicht ihm, denn er ist derjenige, der es vermasselt und meiner Tochter dieses Leid überhaupt erst zugefügt hat. Aber ich bin dankbar dafür, dass Annie nicht mehr leiden müssen wird und dass sie noch immer einen Vater hat, der sich wenigstens ein klein wenig kümmert – auch wenn er erst angeschubst werden muss, damit er das Richtige tut.
Und ich bin – mehr, als mir bis jetzt bewusst war – dankbar dafür, dass ich dieses Leben mit meinem Exmann hinter mir habe. Mein Fehler war es nicht, diese Ehe scheitern zu lassen; mein Fehler war es, mir vorzugaukeln, dass es eine gute Idee war, ihn überhaupt erst zu heiraten.
Auf einmal muss ich an die Geschichten von Mamie und Jacob denken, die Alain mir erzählt hat, und mir wird erschreckend klar, dass ich selbst nie auch nur annähernd so etwas hatte. Weder mit Rob noch mit irgendjemandem sonst. Ich bin mir nicht sicher, ob ich überhaupt an so etwas geglaubt und daher vielleicht nie das Gefühl hatte, irgendetwas zu verpassen. Alains Geschichten stimmen mich traurig, nicht nur um Mamies, sondern um meiner selbst willen.
Ich lächele Rob an, und dabei wird mir bewusst, dass ich für noch etwas anderes dankbar bin. Ich bin dankbar, dass er mich hat gehen lassen. Ich bin dankbar, dass er es für nötig empfunden hat, eine Affäre mit einer Zweiundzwanzigjährigen zu haben. Ich bin dankbar, dass er es auf sich genommen hat, den Schlussstrich unter unsere Ehe zu ziehen. Denn das heißt, dass zumindest eine winzige Chance besteht, dass es für mich noch nicht zu spät ist. Jetzt muss ich nur noch einen Weg finden, an die Art Liebe zu glauben, von der Alain redet.
»Danke«, sage ich zu Rob. Und dann, ohne ein weiteres Wort, wende ich mich ab und gehe zur Tür. Sunshine steht im Vorgarten, die Hände in die Hüften gestemmt, mit säuerlicher Miene, als ich aus dem Haus komme. Ich frage mich, ob sie die ganze Zeit dort gestanden und sich zurechtgelegt hat, was sie zu mir sagen könnte. Wenn ja, dann muss ich Rob das nächste Mal dazu gratulieren, dass er sich einen intellektuellen Superstar ausgesucht hat.
»Wissen Sie, Sie können in meinem eigenen Haus nicht unhöflich zu mir sein«, sagt Sunshine und wirft noch einmal ihren langen Pferdeschwanz hin und her, sodass sie aussieht wie ein störrisches Pferd mit einem zuckenden Schweif.
»Ich werde dran denken, falls ich je zu Ihrem Haus komme«, sage ich fröhlich zu ihr. »Aber da das hier nicht Ihr Haus ist, sondern vielmehr das Haus, in dem ich die
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