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Solange am Himmel Sterne stehen

Solange am Himmel Sterne stehen

Titel: Solange am Himmel Sterne stehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Harmel
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ich wünsche dir, dass du glücklich und zufrieden lebst bis ans Ende deiner Tage, genau wie in den Märchen, die ich dir erzählt habe, als du ein kleines Mädchen warst. Aber du musst diese Art Leben mit der ganzen Kraft deines Herzens suchen. Denn nur indem du liebst und den Mut hast, wiederum geliebt zu werden, kannst du Gott finden, der zuallererst in deinem Herzen existiert.
    Ich werde dich immer lieben,
    deine Mamie

33
    Bis ich den Brief zu Ende gelesen habe, weine ich. Dann lege ich ihn beiseite und schlurfe, noch immer in die Decke gewickelt, zur Hintertür. Ich gehe auf die Terrasse und atme die kalte Nachtluft ein. Während ich Mamies Decke fester um mich wickele, stelle ich mir vor, dass es ihre Arme sind, die mich in einer letzten Umarmung halten.
    »Bist du dort oben?«, murmele ich ins Nichts. In der Ferne kann ich die schwachen Geräusche von Leuten hören, die die letzte Stunde des zu Ende gehenden Jahres feiern. Ich denke an all die Dinge, die man noch einmal neu anfangen kann, und an all die Dinge, die nie mehr ungeschehen gemacht werden können.
    Ich blicke zum Himmel hoch und versuche die Sterne zu finden, nach denen Mamie immer Ausschau gehalten hat. Jetzt sehe ich sie – die Sterne des Großen Wagens – und folge der Linie, die zwei Sterne des Wagens verbindet, wie sie es mir beigebracht hat, bis ich den Nordstern, Polaris, genau nördlich über mir funkeln sehe. Ich frage mich, ob das die Richtung zum Himmel ist. Ich frage mich, wonach sie all die Jahre gesucht hat.
    Ich bin mir nicht sicher, wie lange ich schon zum Himmel hochschaue, als ich plötzlich eine winzige Bewegung irgendwo zwischen dem Großen Wagen und dem Nordstern entdecke. Ich kneife die Augen zusammen und blinzele ein paarmal, und dann sehe ich sie.
    Vor dem pechschwarzen Hintergrund, so schwach, dass ich sie kaum erkennen kann, bewegen sich zwei Sterne über das Firmament, genau an Polaris vorbei, und ziehen ihre Bahn tiefer in den Himmel. Ich habe schon öfter Sternschnuppen gesehen; schließlich sind die Nächte hier am Cape so schwarz und tief, dass man weiter in die Dunkelheit sehen kann als die meisten Leute an der Ostküste. Als Jugendliche habe ich viele Nächte damit verbracht, die Sterne zu zählen und mir bei denen, die vom Himmel fielen, etwas zu wünschen.
    Aber diese Sterne hier sind anders. Sie fallen nicht. Sie ziehen ihre Bahn über das schwarze Tuch der Nacht, schimmernd und strahlend, während sie Seite an Seite durch die Dunkelheit tänzeln.
    Mit offenem Mund folge ich ihrer Flugbahn. Die Geräusche der Erde – das ferne Gelächter, das leise Geplapper irgendwo aus einem Fernseher, das Klatschen der Wellen am Strand – verebben, und ich sehe in einer Blase der Stille zu, wie die Sterne kleiner und kleiner werden, bis sie schließlich verschwinden.
    »Leb wohl, Mamie«, flüstere ich, als sie verschwunden sind. »Leb wohl, Jacob.« Und irgendwie glaube ich, dass der Wind, der jetzt um mich herumpfeift, meine Worte zu ihnen hochträgt.
    Ich suche den Himmel noch eine Minute lang ab, bis mir die Kälte in die Knochen dringt, dann gehe ich zurück ins Haus, wo ich mir mein Handy vom Küchentisch nehme. Ich wähle zuerst Annies Nummer und lächele, als sie abnimmt.
    »Alles okay, Mom?«, fragt sie, und ich kann im Hintergrund die Geräusche der Silvesterfeier in Chatham hören. Ich höre Musik, Gelächter, Glück.
    »Alles bestens«, sage ich. »Ich wollte dir nur sagen, dass ich dich liebe.« Sie schweigt einen Moment. »Ich weiß«, sagt sie schließlich. »Ich dich auch, Mom. Ich rufe dich später zurück.«
    Ich wünsche ihr viel Spaß, und nachdem ich aufgelegt habe, starre ich dreißig Sekunden aufs Telefon, bevor ich meine Kontaktliste durchscrolle und noch einmal auf Wählen drücke.
    »Hope?« Gavins Stimme klingt tief und warm, als er abnimmt.
    Ich hole einmal tief Luft. »Meine Großmutter hat mir einen Brief hinterlassen«, sage ich ohne Vorrede. »Ich habe ihn eben gelesen.«
    Er schweigt eine Minute, und ich verfluche mich dafür, dass ich so etwas nicht besser kann.
    »Geht es dir gut?«, fragt er schließlich.
    »Es geht mir gut«, sage ich, und ich weiß, dass es die Wahrheit ist. Jetzt geht es mir gut, und ich weiß, dass es mir gut gehen wird. Aber etwas fehlt noch immer. Ich will nicht mein Leben lang warten, um die Puzzleteile zusammenzufügen, wie es Mamie getan hat, wie es meine Mutter nie tun konnte, weil sie nie die Chance dazu bekam. »Es tut mir leid«, sage ich überstürzt. »Es

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