Solange am Himmel Sterne stehen

und Blut großgezogen. Er wusste schon damals, als er mich kennenlernte, dass er wegen einer Verletzung, die er im Krieg erlitten hatte, keine eigenen Kinder haben konnte. Er schenkte mir ein neues Leben, und ich schenkte ihm eine Familie. Wir wussten beide, dass es ein Handel war, den wir eingingen, und ich habe ihn nie bereut. Ted war ein wundervoller Mann, ein besserer Mann, als ich je verdient hatte. Bitte lass dir durch diese Enthüllung nichts von deinen schönen Erinnerungen an ihn nehmen, denn wenn das die Folge ist, dann werde ich auch noch mit meiner letzten wichtigen Aufgabe gescheitert sein. Er war dein Opa, und das wird er immer bleiben.
    Bis 1949 wusste ich nicht mit Sicherheit, dass Jacob gestorben war, auch wenn mir viele Leute, schon bevor ich deinen Großvater heiratete, gesagt hatten, er sei in Auschwitz ermordet worden. Dennoch konnte ich es nicht glauben. Ich weigerte mich, es zu glauben. Ich glaubte, ich müsste es in meiner Seele fühlen, und das tat ich nicht. Und so wirst du dich vielleicht fragen, wie ich deinen Großvater heiraten konnte, wenn ich noch immer glaubte, dass Jacob wiederkommen würde.
    Es ist das Grausamste, was ich je getan habe. Dein Großvater hat nie erfahren, dass Jacob und ich heimlich geheiratet hatten, nur wenige Monate bevor ich Paris verließ. Er hat nie erfahren, dass deine Mutter in unserer Hochzeitsnacht gezeugt wurde. Als dein Großvater mich bat, ihn zu heiraten, da wusste er nicht, dass unsere Ehe für ungültig erklärt worden wäre, wenn Jacob zurückgekommen wäre. Ich war bereit, ihm, deinem Großvater, das anzutun, und das ist etwas, womit ich für immer leben muss. Ich hätte ihn auf der Stelle verlassen, wenn Jacob zurückgekommen wäre, und das war ihm gegenüber natürlich entsetzlich unfair. Aber Ted zu heiraten, bevor ich deine Mutter zur Welt brachte, bedeutete, dass sie als Amerikanerin zur Welt kommen würde. Sie würde frei sein. Niemand würde sie in ein Konzentrationslager schicken können. Und das war meine größte Verantwortung vor allem anderen. Ich konnte mir den Luxus nicht erlauben, den Heiratsantrag eines Amerikaners abzulehnen. Ich musste deine Mutter retten; zum einen, weil sie mein Kind war, aber auch, weil sie das letzte Stück war, das mir von Jacob geblieben war.
    Dein Großvater und ich hatten ein gutes Leben zusammen, und ich habe ihn innig geliebt, wenn auch auf eine andere Weise, als ich Jacob geliebt habe. Vor allem habe ich ihn dafür geliebt, was für ein Vater er für Josephine war, und später dafür, was für ein Großvater er für dich war. Er hat euch beiden die Art Liebe entgegengebracht, zu der ich nicht in der Lage war. Ich glaube, es hätte mir jedes Mal, wenn ich ihn mit dir zusammen sah, das Herz gebrochen, wenn es nicht schon so viele Jahre zuvor zu Eis gefroren wäre. Ohne es zu wollen, habe ich ihm, deiner Mutter, dir und Annie meine Liebe vorenthalten.
    Und das, befürchte ich, ist das Vermächtnis, das ich hinterlassen werde – ein kaltes Herz.
    Ich weiß, das ist die einzige Art, auf die du mich je gekannt hast. Aber du sollst wissen, dass ich nicht immer so war. Es gab eine Zeit, da war ich glücklich und frei, eine Zeit, als ich ohne Vorbehalt liebte, da ich nicht wusste, wie schmerzlich die Liebe sein kann. Ich wünschte, du hättest mich damals gekannt. Und ich wünschte, du hättest Jacob gekannt, denn er hätte dich ebenfalls mit dieser Tiefe geliebt. Er wäre sehr stolz auf dich gewesen. Stattdessen habe ich alle Fehler gemacht, die ich machen konnte, und letztendlich verlasse ich diese Welt mit nichts.
    Mein innigster Wunsch für dich ist ein anderes Schicksal als meines. Ich wünsche dir, dass du lernst, dein Herz zu öffnen. Ich habe meines all die Jahre aus Angst verschlossen gehalten, und das war ein Fehler. Das Leben ist eine Reihe von Gelegenheiten, und du musst den Mut haben, sie zu ergreifen, bevor die Jahre vergehen und dich mit nichts als Bedauern zurücklassen.
    Du hast das Leben noch vor dir, genau wie Annie. Lerne zuzulassen, dass Menschen dich lieben, meine Hope, denn du hast diese Liebe verdient. Lerne, frei zu lieben. Die Liebe ist so viel mächtiger, als dir bewusst ist. Das weiß ich jetzt, aber für mich ist es zu spät.
    Was ich mir für dich wünsche, liebe Hope, das ist ein voll ausgelebtes Leben. Ein Leben, das du frei in diesem Land lebst, das dich sein lässt, was du bist. Ein Leben in dem Wissen, dass Gott überall dort ist, wo du bist; er lebt zwischen den Sternen. Und