Solange am Himmel Sterne stehen
einen langen Moment in der Diele und sieht mich an. Ich bin mir sicher, dass sie irgendetwas sagen will, aber als sie den Mund aufmacht, kommt kein Ton heraus. Sie dreht sich abrupt auf dem Absatz um und marschiert zu ihrem Zimmer im hinteren Teil unseres kleinen Cottage. »Bin in fünf Minuten fertig!«, ruft sie über die Schulter.
Da »fünf« in Annie-Sprache im Allgemeinen mindestens zwanzig Minuten bedeuten, wundere ich mich, sie nur wenig später in der Küche zu sehen. Ich stehe vor der offenen Kühlschranktür und wünschte, ich könnte aus dem Nichts irgendetwas Essbares herbeizaubern. Für jemanden, der beruflich den ganzen Tag mit Essen zu tun hat, ist die Vorratshaltung in meinem Kühlschrank wirklich erbärmlich.
»Im Gefrierfach ist noch ein Diät-Fertigmenü«, sagt Annie hinter mir.
Ich drehe mich lächelnd um. »Ich nehme an, es ist Zeit, dass ich mal wieder einkaufen gehe.«
»Nö«, sagt Annie. »Ich würde unseren Kühlschrank gar nicht wiedererkennen, wenn er voll wäre. Ich würde denken, dass ich aus Versehen ins falsche Haus gegangen bin.«
»Haha, sehr witzig«, sage ich grinsend. Ich schließe die Kühlschranktür und öffne das Gefrierfach. Darin liegen zwei Schalen Eiswürfel, eine halbe Tüte Mini-Erdnuss-Schokoriegel, ein Beutel Tiefkühlerbsen und, wie Annie versprochen hat, ein Diät-Fertigmenü.
»Außerdem haben wir sowieso schon gegessen«, fährt Annie fort. »Schon vergessen? Die Hummerbrötchen?«
Ich nicke und schließe die Gefrierfachtür. »Ich weiß«, sage ich. Ich sehe hinüber zu Annie, die am Küchentisch steht, ihre Reisetasche neben sich an den Stuhl gelehnt.
Sie verdreht die Augen vor mir. »Du bist so komisch. Sitzt du jedes Mal nur hier und isst Junkfood, wenn ich zu Dad fahre?«
Ich räuspere mich. »Nein«, lüge ich.
Mamie hat Stress mit Backen bewältigt. Meine Mutter, indem sie sich wegen Kleinigkeiten aufgeregt und mich im Allgemeinen auf mein Zimmer geschickt hat, nachdem sie mir vorgehalten hatte, was für eine lausige Tochter ich sei. Ich selbst bewältige offenbar Stress, indem ich mir den Bauch vollschlage.
»Okay, Schatz«, sage ich. »Hast du alles?« Ich gehe durch die Küche auf sie zu, mit absurd langsamen Schritten, als könnte ich so meine Zeit mit ihr verlängern. Ich ziehe sie zu einer Umarmung an mich, was sie ebenso zu verblüffen scheint wie mich. Aber sie erwidert meine Umarmung, und der Schmerz in meinem Herzen legt sich für eine Weile.
»Ich liebe dich, meine Kleine«, murmele ich in ihr Haar.
»Ich dich auch, Mom«, sagt Annie einen Augenblick später, ihre Stimme gedämpft an meiner Brust. »Kannst du mich jetzt gehen lassen, bevor du mich, na ja, erstickst?«
Verlegen lasse ich sie los. »Ich bin mir nicht sicher, was ich wegen Mamie tun soll«, sage ich, während sie ihre Reisetasche hochnimmt und sich über die Schulter wirft. »Vielleicht redet sie nur Unsinn.«
Annie erstarrt. »Was meinst du damit?«
Ich zucke mit den Schultern. »Ihr Gedächtnis ist weg, Annie. Das ist furchtbar, aber so ist eben Alzheimer.«
»Heute war es nicht weg«, sagt sie, und ich bemerke, wie ihre Augenbrauen in der Mitte scharf nach unten wandern, während sie die Stirn furcht. Ihr Tonfall ist auf einmal eisig.
»Nein, aber ihr Gerede von diesen Leuten, von denen wir noch nie gehört haben … Du musst zugeben, dass das nicht sehr logisch klingt.«
»Mom«, sagt Annie tonlos. Ihre Augen brennen ein Loch in mich. »Du wirst doch nach Paris fahren, oder?«
Ich lache. »Na klar. Und danach zum Shoppen nach Mailand. Und zum Skifahren in die Schweizer Alpen. Und danach werde ich vielleicht noch mit einer Gondel durch Venedig schippern.«
Annie kneift die Augen zusammen. »Du musst nach Paris fahren.«
Mir wird klar, dass sie es ernst meint. »Schatz«, sage ich sanft, »das ist einfach nicht sinnvoll. Ich bin die Einzige hier, die die Bäckerei führen kann.«
»Dann mach sie für ein paar Tage zu. Oder ich kümmere mich nach der Schule darum.«
»Schatz, das wird nicht klappen.« Ich denke daran, wie kurz davor ich stehe, alles zu verlieren.
»Aber Mom!«
»Annie, wer sagt denn, dass Mamie sich an dieses Gespräch später überhaupt noch erinnern wird?«
»Genau deshalb musst du ja fahren!«, sagt Annie. »Hast du denn nicht gesehen, wie wichtig es ihr war? Sie will, dass du herausfindest, was mit diesen Leuten passiert ist! Du darfst sie nicht hängen lassen!«
Ich seufze. Ich hatte gedacht, dass Annie es besser verstehen würde,
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