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Solange am Himmel Sterne stehen

Solange am Himmel Sterne stehen

Titel: Solange am Himmel Sterne stehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Harmel
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dass sie begriffen hätte, wie oft ihre Urgroßmutter Unsinn redet. »Annie …«, beginne ich.
    Aber sie schneidet mir das Wort ab. »Was, wenn das ihre letzte Chance ist? Was, wenn das unsere letzte Chance ist, ihr zu helfen?«
    Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich kann ihr unmöglich erklären, wie nah am Abgrund wir taumeln.
    Als ich einen Augenblick schweige, scheint Annie ihren Entschluss ohne mich zu fassen. »Ich hasse dich«, zischt sie. Dann dreht sie sich auf dem Absatz um und marschiert aus der Küche, ihre Reisetasche wippend über einer Schulter. Ein paar Sekunden später höre ich die Haustür zuknallen. Ich hole einmal tief Luft und folge ihr nach draußen, während ich mich auf eine wortlose Fahrt zu ihrem Vater gefasst mache.
    Nach einer fast schlaflosen Nacht bin ich am nächsten Morgen allein in der Bäckerei. Ich schiebe eben ein Blech Riesen-Zuckerplätzchen in den Ofen, als laut klirrend an die Glasscheibe der Ladentür geklopft wird. Ich werfe die Ofenhandschuhe auf die Arbeitsplatte, stelle die Zeitschaltuhr am Herd, klopfe mir die Hände an der Schürze ab und sehe auf meine Armbanduhr: 5.35 Uhr. Fünfundzwanzig Minuten, bevor ich aufmache.
    Als ich von der Backstube in den Verkaufsraum gehe, sehe ich durch die Latten der Schwingtür Matt dastehen, eine Hand über die Augen gelegt, das Gesicht an die Scheibe gepresst, um hineinzuspähen. Als er mich sieht, richtet er sich rasch auf und winkt beiläufig, als hätte er nicht eben seinen Nasenabdruck auf meiner Scheibe hinterlassen.
    »Matt, wir haben noch nicht geöffnet«, sage ich, nachdem ich die drei Schlösser aufgesperrt und die Tür einen Spalt breit geöffnet habe. »Ich meine, du kannst gern hereinkommen und warten, aber der Kaffee ist noch nicht aufgesetzt, und …«
    »Nein, nein, ich bin nicht wegen des Kaffees hier«, sagt Matt. Er schweigt kurz und fügt dann hinzu: »Aber wenn du welchen aufsetzt, nehme ich gern eine Tasse.«
    »Oh.« Ich sehe noch einmal auf meine Armbanduhr. »Okay, na gut.« Es dürfte nicht mehr als zwei Minuten dauern, die Bohnen zu mahlen, sie in die Kaffeemaschine zu füllen und auf den Einschaltknopf zu drücken. Ich nehme das rasch in Angriff, während ich in Gedanken all die anderen Dinge durchgehe, die ich noch erledigen muss, bevor wir aufmachen, während Matt mir in den Laden folgt und die Tür hinter sich schließt.
    »Hope, ich bin gekommen, um dich zu fragen, was du jetzt tun wirst«, sagt Matt, während die Kaffeemaschine blubbert und die ersten Tropfen zischelnd in die Kanne spritzen.
    Im ersten Moment frage ich mich, woher er weiß, was Mamie gesagt hat, aber dann wird mir klar, dass er von der Bäckerei spricht und davon, dass die Bank offenbar im Begriff ist, Schritte einzuleiten, um sie mir wegzunehmen. Meine Stimmung sinkt.
    »Ich weiß nicht, Matt«, sage ich steif, ohne mich umzudrehen. Ich tue so, als wäre ich noch immer mit dem Kaffeekochen beschäftigt. »Ich hatte noch keine Gelegenheit, alles durchzugehen.«
    Mit anderen Worten, ich bin im Zustand des Leugnens. Das ist meine übliche Vorgehensweise, wenn irgendetwas schiefgeht; ich stecke einfach den Kopf in den Sand und warte darauf, dass sich der Sturm verzieht. Manchmal tut er das. Aber meistens stehe ich am Ende nur mit Sand in den Augen da.
    »Hope …«, beginnt Matt.
    Ich schüttele seufzend den Kopf. »Hör zu, Matt, falls du gekommen bist, um mich zu überreden, an diese Investoren von dir zu verkaufen – ich habe dir schon gesagt, dass ich noch nicht weiß, was ich tun soll, und ich bin nicht bereit …«
    Er schneidet mir das Wort ab. »Dir läuft die Zeit davon«, sagt er entschieden. »Wir müssen darüber reden.«
    Schließlich drehe ich mich um. Er steht vorgebeugt an der Theke. »Okay«, sage ich. Meine Brust ist wie zugeschnürt.
    Er schweigt einen Moment, während er einen unsichtbaren Fleck von seinem Kragenaufschlag bürstet, und räuspert sich dann. Der Geruch von Kaffee zieht jetzt durch die Luft, und da Matt mich nervös macht, drehe ich mich wieder um und schenke ihm eine Tasse ein, bevor der Kaffee fertig durchgelaufen ist. Ich rühre ihm Sahne und Zucker hinein, und er nimmt die Tasse nickend entgegen.
    »Ich will versuchen, die Investoren zu überzeugen, dich zum Partner zu machen«, platzt er schließlich heraus. » Falls sie die Bäckerei übernehmen, was ich noch immer nicht weiß. Sie müssen herkommen, sich den laufenden Betrieb ansehen und deine Zahlen durchgehen. Aber ich empfehle dich

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