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Solange die Nachtigall singt

Solange die Nachtigall singt

Titel: Solange die Nachtigall singt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Michaelis
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Türme der Sandburg. Sie hatte Algenstückchen in ihrem wilden Mattihaar.
    »Jascha«, sagte Jari und blickte auf. Er lächelte unter seinem zerzausten Gefieder, der Zeisig, lächelte sie mit seinen Moosaugen an. Sein Lächeln war klar wie das Meer. Ein Lächeln ohne Umwege. Es wurde besorgt, als er sie ansah. »Du bist ganz blass. Ist alles in Ordnung?«
    »Natürlich«, sagte sie. »Mir ist nur ein wenig kalt geworden …«
    Er stand auf, klopfte sich den Sand von der Hose und zog sie sachte an sich. Zu ihren Füßen baute Mathilde weiter an ihrer Burg.
    »Nein«, flüsterte Jari. »Da ist noch etwas. Noch etwas, das …«
    Doch sie legte den Finger an seine Lippen.
    »Still«, wisperte sie. »Still, still.«

Abgesang
    Still, still, meine Nachtigall,
    still, still.
    Und wenn der Tag geht
    und wenn der Wind weht
    und wenn es Nacht werden will,
    sitz ich am alten Ort,
    doch du bist lange fort,
    still, still.
    Kein Ton soll klingen mehr,
    kein Ton.
    Und wenn die Nacht sinkt
    und die Kälte bringt,
    warte ich schon.
    Ich seh die Wolken ziehn
    und alte Schatten fliehn,
    kein Ton.
    Lang, dass deine Stimme brach,
    bist stumm.
    Und wenn der Mond scheint
    und wenn ein Kind weint,
    frag nicht, warum.
    Bist nur ein Traum im Wald,
    ewig jung und uralt,
    stumm, stumm.
    Ich hab noch dein Herz gespürt,
    sacht, sacht.
    Und hab dir leise,
    auf meine Weise,
    ein Versprechen gemacht.
    Ich will mein ganzes Sein
    nur deiner Schönheit weih’n,
    sacht, sacht.
    Leis, leis, mein Vögelchen,
    leis, leis.
    Und wenn ein Stern fällt
    in der Nachtwelt,
    glühend und weiß,
    wünsch dir den Menschen dann,
    den es nicht geben kann,
    leis, leis.
    Still, still, meine Nachtigall,
    still, still.
    Und wenn die Nacht geht
    und der Wind nicht mehr weht
    und wenn es Tag werden will,
    hör ich manchmal dein Lied,
    das durch die Nebel zieht,
    still, still.

Antonia Michaelis
, 1979 in Norddeutschland geboren, in Süddeutschland aufgewachsen, zog es nach dem Abitur in die weite Welt. Sie arbeitete u.a. in Südindien, Nepal und Peru. In Greifswald studierte sie Medizin und begann parallel dazu, Geschichten für Kinder und Jugendliche zu schreiben. Seit einigen Jahren lebt sie nun als freie Schriftstellerin in der Nähe der Insel Usedom und hat zahlreiche Kinder- und Jugendbücher veröffentlicht, facettenreich, phantasievoll und mit großem Erfolg. »Der Märchenerzähler«, ihr erstes Buch für junge Erwachsene, wurde für den Deutschen Jugendliteraturpreis 2012 nominiert. Über ihren Alltag als Mutter und Autorin berichtet Antonia Michaelis mit viel Witz und Esprit in einem Weblog auf www.oetinger.de.
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© Verlag Friedrich Oetinger GmbH, Hamburg 2012
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Cover von Kathrin Schüler
© Olaf Matthes, 2012 für das Foto im Innentitel
Satz und E-Book-Umsetzung: Dörlemann Satz, Lemförde 2012
ISBN 978-3-86274-597-5

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