Solarstation
davonschweben, der Deckel würde sich unter dem Dampfdruck öffnen, das Kochgut würde sich von den Wänden des Topfes lösen und eine Art kugelförmiges Etwas bilden… kurzum, die Küche würde hinterher schrecklich aussehen.
Natürlich kann man alles in einem Mikrowellenofen zubereiten, und meistens taten wir das auch. Aber es war ein ständiges Hobby der Wissenschaftler (bemerkenswerterweise fast ausschließlich der männlichen Wissenschaftler), immer neue Apparaturen zu erfinden, die es erlaubten, unter Schwerelosigkeit zu kochen. Am lustigsten fand ich den sogenannten Dämpfofen, der dazu gedacht war, Gemüse zu dämpfen. Es handelte sich um einen kleinen Kasten aus Aluminium, der ein Guckloch hatte und innen beleuchtet war, damit man den Anblick genießen konnte, denn durch einige Düsen im Hintergrund strömte kochendheißer Dampf in den Kasten, der das Gemüse, das darin schwebte, wild durcheinanderwirbelte und dabei gar dünstete. Dann gab es noch einen Bratofen, eine Art großer Toaster: das Bratgut – Gemüse oder feine Fleischstreifen – wurde von einer Klammerkonstruktion gehalten, während es von zwei Seiten erhitzt wurde.
Für die stilgerechte Zubereitung von Sojasprossen taugte natürlich weder das eine noch das andere. Hierfür kam nur der Weltraum-Wok in Frage, den Ingenieure aus der vorletzten Schicht entwickelt hatten, ein atemberaubend häßliches und gefährliches Gerät, das aussah wie eine Art glühendheißer, kleiner Betonmischer, der sich rasch um seine Achse drehte. Man gab zuerst etwas gewürztes und gesalzenes Öl hinein, das sich infolge der Rotation rasch im Inneren verteilte, und dann, wenn das Öl ausreichend heiß war, die Sprossen. Eingebaute Schaufeln besorgten das Wenden und Rühren, und man brauchte nur zu warten, bis die Sprossen das Öl ganz aufgenommen hatten, dann schaltete man den Wok aus und konnte darangehen, die gebratenen Sprossen einzufangen, wenn sie aus der Öffnung kamen.
Oba übernahm die Regie. Wie immer kannte sie ein paar Tricks, mit Gewürzen und anderen raffinierten Kniffen das Essen besonders schmackhaft zuzubereiten – Tricks, die, wie sie nicht müde wurde zu erzählen, von ihrer Großmutter mütterlicherseits stammten, die jedesmal als dritter, unsichtbarer Helfer in der Küche zu sein schien. Zusammen bereiteten wir neun Tabletts vor und deponierten sie im Warmhalteschrank, einer Art Durchreiche zwischen der kleinen Küche und dem Gemeinschaftsraum mit seinem großen runden Tisch. Dann ging ich an die Bordsprechanlage und gab das Signal, das die Crew zum Abendessen rief.
KAPITEL 10
Die Mannschaft fand sich so rasch im Gemeinschaftsraum ein, als habe jeder nur sehnsüchtig auf diesen Moment gewartet. Wir verteilten die Tabletts, die alle mit einem Magneten versehen waren und folglich auf dem runden Tisch, der eine Metalleinlage hatte, gut hafteten, und Oba erntete reichlich Komplimente für ihre knackig zubereiteten Sojasprossen.
»Ich bin ganz ehrlich«, erklärte Jayakar mit Verschwörermiene. »Ich habe da unten jemanden bestochen, den Shuttle ein paar Tage zurückzuhalten, damit Sie uns noch einmal etwas kochen.«
Auch das Essen ist nicht so einfach in der Schwerelosigkeit. Das Hauptproblem ist, zu vermeiden, daß sich die guten Sachen einfach vom Teller erheben und auf und davon fliegen. Deswegen hat jeder Teller einen fest schließenden Deckel. Messer und Gabel gibt es auch nicht; das einzige Eßwerkzeug des Astronauten ist eine Art schmale Zange, ähnlich einer Zuckerzange, wie sie die Generation unserer Eltern noch zu besitzen pflegte. Mit der linken Hand öffnet man den Deckel ein wenig, und mit der Eßzange in der rechten Hand schnappt man sich dann einen Leckerbissen vom Teller.
Für Anfänger empfiehlt es sich, zuerst eines jener Gerichte zu nehmen, die mit einer klebrigen Soße zubereitet sind. Dadurch haftet das Essen am Teller, und man kann sich ganz darauf konzentrieren, die Handhabung der Zange einzuüben. Und, nicht zu vergessen, das Schlucken – da einem die Schwerkraft nicht hilft, hat man bei den ersten Bissen das Gefühl, im Liegen oder im Kopfstand zu essen und die Nahrung gegen einen Widerstand herunterschlucken zu müssen. Gewöhnungsbedürftig.
Zur allgemeinen Begeisterung präsentierte Sakai eine große Flasche edlen Pflaumenweins und erklärte, sie der Runde spendieren zu wollen. Es sei ein privater Anlaß. »Heute vor zehn Jahren mußte ich eine wichtige Prüfung wiederholen. Wenn ich sie nicht bestanden hätte,
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