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Solarstation

Titel: Solarstation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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Dienst zu quittieren, würde mich keiner von ihnen vermissen.
    Die Unterhaltungen wurden jetzt überwiegend in Japanisch geführt, in jenem schnellen, undeutlichen Japanisch, von dem ich nur jedes zehnte Wort verstand. Ich schnallte mich los, brachte mein Tablett in die Küche und sortierte das schmutzige Geschirr, das schon da war, in den Spülautomaten ein. Dann verabschiedete ich mich kurz, aber Moriyama war der einzige, der mir eine gute Nacht wünschte.
    Vielleicht war es auch der Alkohol. Manchmal macht Alkohol mich depressiv. Ich wusch mich kurz und putzte meine Zähne nachlässig. In meiner Kabine zog ich mich aus und schlüpfte in einen leichten Schlafanzug, dann manövrierte ich mich in den Schlafsack. Europäisches Erbe, dachte ich undeutlich. Die heutigen Weltraumschlafsäcke beruhten auf einem Prinzip, das der deutsche Raumfahrer Reinhard Furrer erfunden hatte: man konnte sie leicht aufblasen und so das Gefühl erzeugen, von allen Seiten her gut zugedeckt zu sein, wie man es in einem Bett auf der Erde auch hat. Davor hatten die Astronauten einfach in einem Sack geschlafen, der sie an einer bestimmten Stelle hielt, aber da die Arme in der Schwerelosigkeit frei umherschwebten, waren sie oft von der Berührung durch ihre eigenen Hände aufgewacht. Europäisches Erbe, dachte ich noch einmal. Großartige Kultur – warum sie wohl untergegangen ist?
    Dann dachte ich über mein eigenes Leben nach und was ich alles falsch gemacht hatte, und irgendwie dämmerte mir, daß, egal wohin man geht, ob ans Ende der Welt oder in die Tiefen des Ozeans oder in die Einsamkeit des Weltalls, man sich immer mitnimmt, und das ist das Problem – und darüber schlief ich ein.

KAPITEL 11
    Dieser verdammte Wecker. Irgend jemand mußte ihn heimlich lauter gestellt haben. Und er mußte auch irgend etwas an der Frequenz des Tones gedreht haben, damit das gemeine Piepsen direkt das Zentralnervensystem angriff. Stöhnend und fluchend schaffte ich es, einen Arm aus dem Schlafsack zu kriegen und den akustischen Angriff abzuschalten, ohne ganz wach zu werden.
    Eine Weile duselte ich noch schläfrig vor mich hin. Aber die schweren inneren Kämpfe zwischen der Stimme in mir, die der Ansicht war, ich müsse weiterschlafen und die Nacht könne unmöglich schon zu Ende sein, und der Stimme, die unablässig mahnte, ich müsse aufstehen und die Pflicht rufe, ließen mich einfach nicht mehr zur Ruhe kommen. Also gut. Ich stemmte mühsam die Augenlider hoch, öffnete den Reißverschluß des Schlafsacks und fröstelte unter der kühlen Luft, die hereindrang.
    Meine Güte, was für ein Brummschädel! Der Pflaumenwein mußte es ganz schön in sich gehabt haben. Wahrscheinlich konnte ich froh sein, daß ich nicht so viel davon abbekommen hatte wie die anderen.
    Ich verließ die Kabine und hatte eine Weile regelrechte Orientierungsprobleme in der Schwerelosigkeit. Allerhand. Die Raumfahrtbehörde hatte also doch recht mit ihren Vorschriften.
    Im Fitneßraum traf ich Tanaka, der mir nur einen kurzen, gemarterten Blick zuwarf und mich ansonsten keines Wortes würdigte. Wahrscheinlich hatte auch er einen ganz schönen Kater, denn er arbeitete mit fast wütender Besessenheit an den Trainingsgeräten, um die Gifte aus dem Körper zu schwitzen. Ich fühlte mich zwar absolut nicht in Trainingsstimmung – eher danach, mich stöhnend in den Schlafsack zurückzuziehen und bis Mittag zu schlafen –, aber ich beschloß mich zu zwingen, es ihm gleichzutun. Ich begann mit einem längeren, gemächlichen Dauerlauf auf dem Laufband, dessen Vorläufer schon den Spacelab-Astronauten gute Dienste geleistet hatte, und nachdem Tanaka in der Dusche verschwunden war, wechselte ich an die Bodybuildingmaschinen und quälte meine schmerzenden Muskeln mit einem vollen Durchgang durch alle Übungen: Butterfly, Bizepscurl, Trizepsdrücken, Latissimusziehen, Bauchmuskelübungen, Beincurls, Beindrücken – no pain, no gain. Es schien sogar zu helfen, zumindest bildete ich mir das ein. Nach der letzten Übung glühte mein Körper und pulsierte bis in die letzte Faser, und ich hatte das übliche ausgelassene Gummiball-Gefühl, das einen befiel, wenn man nach den anstrengenden Muskelübungen wieder schwerelos durch die Gegend schwebte. Und Tanaka hatte sich beeilt; die Dusche war schon wieder frei. Vielleicht würde heute doch noch ein guter Tag werden.
    Als ich in den Gemeinschaftsraum kam, herrschte auch dort ziemliche Katerstimmung. Moriyama saß am Tisch und kaute lustlos an

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