Solarstation
nachdenklich das silberne Haupt. Dann ging ein Ruck durch seinen Körper, und er begann sich loszuschnallen. »Ikimasho. Kommen Sie.«
Wir begaben uns in die Steuerzentrale. Sakai war gerade damit beschäftigt, ein paar routinemäßige Checks zu machen, doch Moriyama unterbrach ihn barsch: »Gehen Sie ins Maschinendeck und helfen Sie den Leuten dort, Iwabuchi zu finden.«
Sakai bekam große Augen. »Iwabuchi?«
»Er ist verschwunden«, erklärte der Kommandant ungeduldig. »Machen Sie sich auf den Weg, und das schnell, wakarimas?«
Sakai nickte hastig, stopfte seine Checkliste hinter die nächstliegende Halteklammer und machte, daß er fortkam. Das Schott hatte sich kaum hinter ihm geschlossen, als sich Kim meldete. Die Raumanzüge seien vollzählig, es fehle keiner.
»Danke«, sagte Moriyama und schaltete ab. Dann sah er mich an. »Verstehen Sie das, Leonard?«
»Nein«, sagte ich.
Moriyama hangelte sich zum Bildschirm des Bordüberwachungscomputers und meldete sich mit dem Kommandanten-Paßwort an. Er tippte sich durch ein paar Menüs, die ein normalsterblicher Computerbenutzer niemals zu sehen bekam, und holte schließlich das Protokoll der Schleusendurchgänge auf den Schirm.
»Keine Schleusenaktivität heute nacht«, konstatierte er halblaut. »Er kann die Station nicht verlassen haben.«
Ich schwieg.
»Natürlich nicht«, sagte Moriyama zu sich selbst. »Ohne Raumanzug.«
Der Geruch der Gefahr.
»Und was sollte er draußen anstellen?«
Die Staubwolke am Horizont, die näher kam und näher und näher.
»Tanaka hier.« Die Bordsprechanlage. »Im Solarenergiemodul und im Bordversorgungsmodul ist er nicht. Wir durchsuchen jetzt das Erdbeobachtungslabor.«
Ich stieß mich mit den Fingerspitzen ab, glitt langsam und lautlos zum Schott. Es fuhr bereitwillig vor mir auf. Moriyama beachtete mich nicht. Ich verließ die Brücke, und das Schott schloß sich hinter mir wieder.
Im Knotentunnel war es ruhig. Vom Maschinendeck hörte ich, weit entfernt, die Stimmen der anderen. Und aus meinem Inneren hörte ich eine rostige Stimme, die von Gefahr flüsterte und von Blut und von Angst…
Ich hangelte mich hinüber ins Wohnmodul. Der Gemeinschaftsraum lag verlassen, die Frühstücksschüsseln standen noch auf dem Tisch. Ich räumte sie ab, ehe das Schrot trocknen konnte und anfing zu fliegen. Ich räumte sie ab, weil das meine Pflicht war. Ich räumte sie ab, weil das eine Möglichkeit war, die Konfrontation mit dem Unvermeidlichen noch ein wenig hinauszuzögern.
Dann durchquerte ich den Gemeinschaftsraum und glitt in den Gang dahinter, in dem die Kabinen lagen. Hier war es jetzt ganz still. Die komfortabelsten Kabinen lagen am Ende des Gangs; Kommandant Moriyama hatte die linke und der stellvertretende Kommandant Tanaka die rechte. Iwabuchis Kabine war die zwischen Moriyamas Kabine und der Toilette.
Ich glitt näher und öffnete die Tür.
In der Kabine herrschte das übliche Halbdunkel. Der Schlafsack hing schlaff und leer da, und ansonsten war die Kabine nicht so groß, daß man darin irgend jemanden hätte übersehen können.
Aber der Geruch der Gefahr blieb.
Ich schaltete das Licht ein, und plötzlich sah der schlaffe Schlafsack gar nicht mehr so leer aus. Mit spitzen Fingern zog ich den Reißverschluß herunter. Die Stoffbahnen teilten sich von selbst, und Iwabuchi schwebte mir entgegen, zusammengekrümmt und mit weit aufgerissenen Augen und mit drei blutigen Löchern in der Brust.
KAPITEL 12
Der Gang war viel zu eng für uns alle. Trotzdem drängelten wir uns vor Iwabuchis Kabine, und jeder wollte einen entsetzten Blick auf den Leichnam werfen. Blasse Gesichter sahen sich fassungslos gegenseitig an und versuchten zu begreifen, daß das alles Realität und Iwabuchi tatsächlich tot war.
»Oba-san«, wandte Moriyama, der wie benommen wirkte, sich an die Ärztin, »was glauben Sie, wie lange er schon tot ist?«
Oba kam zögernd näher. »Ich bin keine Kriminalistin«, sagte sie leise, während sie die Haut des Toten befühlte. Sie öffnete ihm den Mund und steckte prüfend zwei Finger in die Mundhöhle. »Aber Sie fragen mich, Kommandant. Ich sage, mindestens zwei Stunden, eher drei.«
»Sind Sie sicher?«
» Iie. Um die Todeszeit genauer festzustellen, muß ich eingehendere Untersuchungen anstellen.«
Der Kommandant sah sich in unseren verstörten Gesichtern um und wandte sich dann an Jayakar:
»Mister Jayakar, sagten Sie nicht vorhin, Sie hätten Iwabuchi auch in seiner Kabine gesucht?«
Jay
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