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Solarstation

Titel: Solarstation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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rechtzeitig verstanden, was gespielt wurde.
    Hätten wir? Ich war mir nicht sicher. Und das war es, was mich in Wahrheit schmerzte – daß ich mir nicht sicher war. Die stille Wut, die schwarz und klebrig in mir brodelte, die Wut auf Khalid und seine Kumpane, war in Wirklichkeit Wut auf mich selber. Ich hatte versagt. Ich hätte es wissen können, rechtzeitig, aber ich hatte es nicht gewußt. Ich war einmal ein Kämpfer gewesen, ein strahlender Sieger, scharfsinnig, geschickt und mutig… Mut? Wo war mir mein Mut nur abhanden gekommen? War überhaupt noch etwas übrig von meinem Scharfsinn? Ich hatte wesentliche Dinge übersehen, die ich nicht hätte übersehen dürfen, so wie ich auch in meinem Leben irgendwelche wesentlichen Dinge übersehen hatte… Einst war ich ein Krieger gewesen, doch heute war ich nur noch ein ängstlicher, verzagter Mann, ein Schatten meiner selbst. Ein Mann, der sich etwas darauf einbildete, in der Hitparade der diensteifrigsten Hausmeister den ersten Platz einzunehmen.
    Dem Leonard Carr vor zehn Jahren wäre das nicht passiert. An diesem Gedanken hielt ich mich fest, obwohl ich merkte, wie sinnlos schmerzhaft das war, ja, ich suhlte mich geradezu darin. Der Leonard Carr, der ich vor zehn Jahren gewesen war – der hätte das Spiel durchschaut, Sakai überwältigt und ihn…
    »Jayakar!« fiel mir plötzlich ein. »Wir haben Jayakar ganz vergessen!«
    Moriyama sah auf. »Richtig. Er ist immer noch im Käfig.« Er sah Tanaka an. »Kann er sich befreien, wenn er merkt, was los ist?«
    »Nein.«
    »Was ist, wenn er auf die Toilette muß?«
    »Wir haben ihm eine Packung Assanierungsbeutel gegeben.« Damit meinte er die Plastikbeutel, die in Raumanzügen zur Aufnahme von Körperausscheidungen dienten. Ohne den Absaugeffekt des in einem Raumanzug eingebauten Assanierungssystems war die Benutzung dieser Beutel eine ziemliche Quälerei; es war keine sehr freundliche Geste gewesen, Jayakar so abzufertigen. »Aber Sakai war doch dabei; er weiß, wo Jayakar ist.«
    »Vielleicht hat er es vergessen«, erwiderte Moriyama. »Oder es ist ihm egal. Ich werde ihn auf jeden Fall daran erinnern.« Er schnallte sich los, stieß sich ab und glitt zur Bordsprechanlage an der Wand gegenüber der Dampfdusche. Aber als er die Nummer der Brücke tastete, blieb die Leuchtanzeige dunkel. »Abgeschaltet«, stellte er fest. Im fahlen Licht der Beleuchtungskörper hier im Fitneßraum wirkte er plötzlich sehr alt. »Khalids Vorhaben ist verrückt«, sagte er dann, mehr zu sich selbst. »Undurchführbar. Alles, was er erreichen wird, ist, die Raumfahrt in eine tiefe Krise zu stürzen. Das, was hier passiert, kann ein Schlag sein, von dem wir uns nie wieder erholen werden.«
    »Glauben Sie, die Regierung wird auf seine Forderungen eingehen?« fragte Tanaka mit belegter Stimme. Ich konnte seine Angst beinahe riechen.
    Moriyama warf ihm einen funkelnden Blick zu. »Das ist mir egal. Eine Milliarde Dollar, das ist kein Preis. Nicht einmal unser aller Leben wäre ein zu hoher Preis. Aber die Solarstation…«
    »Ist das alles, was Sie interessiert?« unterbrach ihn Tanaka mit flatternder Panik in der Stimme. »Die Solarstation? Ist Ihnen die Solarstation wichtiger als unser aller Leben, als…«
    »Selbstverständlich!« Der Kommandant holte tief Luft. »Sh’kata gai na sa! Ist Ihnen nicht klar, daß die Solarstation unser Weg ins All ist? Unser einziger? Und daß wir ihn jetzt gehen müssen? Die fossilen Brennstoffe gehen zu Ende. Bald stehen uns auf der Erde keine intensiven Energiequellen mehr zur Verfügung außer der Atomenergie, und dann? Welche Zukunft können unsere Kinder dann noch wählen? Eine Zukunft, in der atomarer Abfall für Hunderttausende von Jahren aufbewahrt werden muß, in der es Reaktorunfälle gibt und in der riesige Landstriche verstrahlt sein werden, auf immer unbewohnbar, wie es das Gebiet um Tschernobyl heute ist – eine Fläche, größer als alle japanischen Inseln zusammengenommen? Oder eine Zukunft, in der es nur noch die Energie von Wind, Wasser und Feuerholz gibt, eine Zivilisation der Ochsengespanne und Dampfmaschinen, der Spinnräder und erbärmlichen Ernten? Was immer sie wählen, ihre Zukunft wird nichts sein können als ein trostloses Dahinvegetieren, ein Abwarten, während die menschliche Art langsam verlischt. Wenn wir nicht aufbrechen in den Weltraum, haben wir keine Zukunft, und wenn wir es nicht heute tun, dann wird es zu spät sein. Mit der Solarstation haben wir gezeigt, daß es

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