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Solarstation

Titel: Solarstation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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Wirklichkeit ist Khalid nicht an einem Shuttle voll Gold interessiert. Überlegen Sie mal, wie lange es allein dauern würde, Goldbarren im Werte von einer Milliarde Dollar heranzuschaffen und im Nutzlastraum des Shuttles zu verstauen. Wochen. Bis dahin wären wir hier oben am Verhungern.«
    »Wahrscheinlich will er viel mehr Geld«, mutmaßte Jay. »Und er wird es sich auf irgendwelche dubiosen Konten bei irgendwelchen dubiosen Banken überweisen lassen, von wo es dann in undurchschaubare dunkle Kanäle verschwindet. Und erst wenn ihm seine Geldwäscher ihr Okay geben, macht er sich auf den Rückweg zur Erde.«
    »Was Khalid nämlich großzügig unterschlagen hat, als er uns unseren luxuriösen Arbeitsplatz unter die Nase rieb«, gab ich zu bedenken, »ist, daß auch sein kühner Handstreich nicht allein Köpfchen, sondern auch eine Menge Geld gekostet haben muß – enorm viel Geld. Er mußte den europäischen Raketenstartplatz in Französisch-Guayana überfallen, um sich dort einer Rakete zu bemächtigen. Er mußte seine tollkühne Raumkapsel bauen. Er brauchte Raumanzüge – na gut, die hat er offenbar aus russischen Beständen, die werden so teuer nicht gewesen sein. Aber er muß noch jede Menge Spießgesellen in Kourou sitzen haben, und die wollen sicher auch ein Stück vom großen Kuchen. Da kommt er mit einer schlichten Milliarde nicht sehr weit.«
    Tanaka sah mich an, und in seinen Augen sah ich schon wieder die wohlbekannte Verachtung für die Yankees und überhaupt alle Nicht-Japaner aufglimmen. »Na schön«, meinte er, »und was nützt uns diese Einsicht?«
    Jayakar lächelte nur, und somit blieb es mir überlassen, zu antworten.
    »Diese Einsicht«, erklärte ich mit einer Ruhe, die mich selber überraschte, »verrät uns, daß Khalid in einer sehr kritischen Situation steckt, solange der Shuttle noch nicht eingetroffen ist. Solange er seine Tarnung aufrechterhalten muß, kann er es sich nicht leisten, uns alle umzubringen – denn es könnte ja sein, daß jemand von der Erde einen von uns sprechen will. Sollte das der Fall sein, wird derjenige die sicher interessante Erfahrung machen, ein lockeres Gespräch fuhren zu müssen, während ihm die Mündung eines Revolvers in den Nacken gedrückt wird.«
    »Also ganz einfach gesagt«, kam mir Jay nun doch noch zu Hilfe, »was immer wir gegen Khalid unternehmen wollen, wir müssen es tun, solange der Shuttle noch nicht da ist.«
    Das begriff Tanaka. Besonders der Punkt, daß wir einstweilen relativ sicher waren, hatte ihm gut gefallen. Sein arroganter Gesichtsausdruck wurde ein wenig weniger arrogant, und er nickte.
    »Derjenige, der diese Erfahrung machen wird«, mischte sich Moriyama ein, »werde wohl ich sein.«
    Diesmal war die Reihe an mir, begriffsstutzig zu sein. »Welche Erfahrung?«
    Der Kommandant machte eine unbestimmte Handbewegung. »Die, von der Sie gerade sprachen. Das lockere Gespräch. Der Revolver im Nacken.«
    »Sie? Wieso?« Lange Leitung.
    »Sie erwähnten«, wandte Moriyama sich an Jayakar, »daß Sakai versprach, mir etwas auszurichten. Was kann das gewesen sein? Doch wohl nur, daß jemand in Hawaii mich sprechen möchte. Also werden sie mich demnächst abholen, damit ich mit Hawaii spreche und dabei den Eindruck erwecke, alles sei normal.« Er machte eine bedeutsame Pause. »Und das ist die Chance.«
    Während er das sagte, straffte sich sein Körper, als richte sich eine stählerne Feder in seinem Inneren auf. Mit einem Mal wirkte er zehn Jahre jünger, energiegeladen und zuversichtlich. Geradezu kamikazehaft zuversichtlich. Ich spürte einen Kloß in meinem Hals.
    »Was haben Sie vor, Moriyama-san?«
    »Den Revolver zu ignorieren. Die Erde zu warnen.«
    »Sie werden sterben.«
    »Dann werde ich eben sterben. Aber Khalid darf diesen Shuttle nicht in seine Gewalt bekommen.«
    Mut. Ich hätte das sagen sollen. Ich, der ich einmal ein Sieger gewesen war. Aber irgendwann hatte ich aufgehört, ein Sieger zu sein und mich darauf beschränkt, nur noch überleben zu wollen. Ich schämte mich.
    Einen Augenblick lang war es bedrückend still in dem engen Gang vor den Kabinen, in dem es nach nächtlichem Schweiß roch und nach ungelüfteten Schlafsäcken. Und nach Angst. Erst jetzt fiel mir auf, daß eine der Leuchtstoffröhren elend brummte. Wahrscheinlich würde sie demnächst ihren Geist aufgeben.
    Im nächsten Augenblick hallten die inzwischen unverkennbaren kratzenden und zischenden Geräusche durch das Modul, die anzeigten, daß das

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