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Soldaten

Soldaten

Titel: Soldaten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sönke Neitzel
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nach dem Essen sagt er: ›Jetzt wollen wir uns noch eine kleine ............. ansehen.‹ Da sind sie raus gefahren im Wagen und – das klingt märchenhaft, das ist aber so – und da lagen Schrotbüchsen da, normale Büchsen, und standen 30 polnische Juden da. Dann wurde den Gästen je eine Büchse gegeben, und dann wurden die Juden vorbeigetrieben, und dann durfte jeder einen Juden totschießen mit Schrot. Anschließend bekamen sie einen Gnadenschuss. [334]
    Im folgenden Gespräch berichtet ein anderer Erzähler ebenfalls über die Einladung zu einer Erschießung, die er angenommen hat. Die Ausführungen des Luftwaffenoberleutnants Fried stoßen bei seinem Gesprächspartner, Infanterieoberleutnant Bentz, auf deutliche Irritation:
    BENTZ : Wenn die Deutschen uns fragten, ob das mit dem Terror in Polen wahr wäre, mussten wir sagen, es wäre nur ein Gerücht. Ich bin überzeugt, dass es nur zu wahr ist. Es ist doch ein Schandfleck in unserer Geschichte.
    FRIED : Na ja, die Judenverfolgung.
    BENTZ : Grundsätzlich, diese ganze Rassengeschichte bei uns halte ich für verfehlt. Dass der Jude der Träger von grundsätzlich nur schlechten Eigenschaften ist, ist doch Wahnsinn.
    FRIED : Ich hatte mal mitgemacht, das hatte mich als Offizier später etwas beeindruckt gehabt, das war, als ich mit dem Krieg so selbst in Berührung kam, das war im Polenkrieg gewesen, und zwar machte ich da Transportflüge. Da war ich einmal in Radom und aß da mit zu Mittag bei dem Waffen- SS -Bataillon, das da lag. Da sagte also ein SS -Hauptmann oder was er gewesen ist: ›Haben Sie Lust, eine halbe Stunde lang mitzukommen? Kriegen Sie Maschinenpistole und los fahren wir.‹ Komme ich schon mit. Ich hatte eine Stunde Zeit noch, gingen wir aber dahin zu so einer Kaserne und 1500 Juden umgelegt. Das war während des Krieges. Da waren so zwanzig Schützen da mit der Maschinenpistole. Das machte einen Augenblick – man dachte gar nicht dabei. Waren die da überfallen worden nachts von jüdischen Partisanen, und man hat sich über diese Scheißpolen geärgert. Habe ich darüber nachgedacht – war doch unschön.
    BENTZ : Waren nur Juden gewesen?
    FRIED : Nur Juden gewesen und ein paar von den Partisanen.
    BENTZ : Die wurden so vorbeigetrieben?
    FRIED : Ja. Wenn ich mir’s hier so überlege – unschön.
    BENTZ : Was – Sie schossen mit?
    FRIED : Ich schoss mit, ja. Und da war bei denen drinnen – die sagten: ›Na, hier kommen die Schweinehunde‹, haben da geschimpft, ein paar Steine hinterher geworfen und so. Waren auch Frauen und Kinder dabei gewesen!
    BENTZ : Die waren auch mit drinnen?
    FRIED : Die waren dabei – ganze Familien, schrien wüst und ein paar waren stur apathisch. [335]
    Die beiden Gesprächspartner reden einige Zeit aneinander vorbei, vermutlich, weil sie erheblich voneinander abweichende Auffassungen haben und das zunächst selbst gar nicht registrieren. Während Bentz erklärt, die Judenvernichtung insgesamt abzulehnen und die »Rassengeschichten« für eine falsche Idee zu halten, erzählt Fried, dass er ein Angebot zum »Judenschießen« angenommen habe, und zwar bereits im »Polenkrieg«. Bentz bekommt zunächst gar nicht richtig mit, dass Fried das Angebot zum Mitschießen angenommen und sich an der rasanten Ermordung von 1500 Juden in einer Stunde aus freien Stücken beteiligt hatte. Erst bei Frieds Bemerkung, dass das doch »unschön« gewesen sei, im Nachhinein betrachtet, merkt Bentz auf: »Was – Sie schossen mit?«
    Fried scheint allerdings Bentz’ Überraschung nicht aus der Ruhe zu bringen, er erzählt weiter: Nicht nur »Juden« und »Partisanen« habe er erschossen, sondern auch Frauen und Kinder. Seine nüchterne Bewertung, dass das insgesamt »doch unschön« gewesen sei, kann bedeuten, dass ihm diese Freizeiterschießung doch nicht die erwartete Freude bereitet hat, aber auch einfach darauf zurückgehen, dass er mit Bentz einen Gesprächspartner hat, der dem Ganzen ohnehin skeptisch gegenübersteht.
    Jedenfalls verweist das Phänomen des »Mitschießens«, ob individuell oder im Rahmen einer »Treibjagd«, genauso wie das Angebot, mal zuzuschauen oder zu filmen, darauf, dass auch Unbeteiligte keineswegs immer eine Zeit der Eingewöhnung brauchten, um die brutalsten Dinge zu tun. Fried jedenfalls kommt genauso unvermittelt zum Schießen wie die Musiker von der Frontbetreuung; sie töten Menschen aus Gründen der Unterhaltung und des Amüsements, ohne Gewöhnung, ohne Brutalisierung, einfach

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