Soldatenglück - Sedlatzek-Müller, R: Soldatenglück
Initiative und erkundige mich im Bundeswehrkrankenhaus vorab telefonisch, ob ich mich vor und nach den Untersuchungen in der nur wenige Kilometer entfernten Julius-Leber-Kaserne aufhalten darf, damit ich meinen Diensthund versorgen kann. Durch die vorherigen Begutachtungen weiß ich, dass die Tests ausschließlich tagsüber gemacht werden. Vor meinem Telefonat habe ich mir vorsichtshalber die schriftliche Bestätigung der Kaserne eingeholt, dass ich vom 21. bis 24. Januar 2008, also während der Zeit der Untersuchung, mit Idor dort unterkommen kann. Eine Kopie dieses Schreibens sende ich per Fax ans Geschäftszimmer der psychiatrischen Abteilung. Da ich diese Vorarbeit geleistet habe, wird mir entsprechend von der Schreibkraft, nach Rücksprache mit ihrem vorgesetzten Arzt, zugesagt, dass man mit meiner Absicht einverstanden ist.
Müde und angespannt bringe ich die 360 Kilometer weite Strecke von Stade nach Berlin hinter mich. Der Hauptparkplatz für die Mitarbeiter des Krankenhauses bleibt mir versperrt. Eine Stellfläche, die noch frei zu sein scheint, entpuppt sich als Privatparkplatz, der im Stundentakt berechnet wird. Ich flippe völlig aus, denn es ist bereits 09:55 Uhr und ich soll mich um 10:00 Uhr im Geschäftszimmer melden. Ich beobachte, wie Dienstfahrzeuge der Bundeswehr eine Seiteneinfahrt benutzen, die mit einer automatischen Schranke versperrt wird. Doch wie von Zauberhand öffnet sie sich auch mir, als ich vorfahre. Zu meiner Erleichterung finde ich sogar recht schnell einen Schattenparkplatz für Idor. Dennoch muss ich mich stressbedingt mehrfach vergewissern, dass ich die Türen verriegelt und die Fenster für den Hund einen Spaltbreit offen gelassen habe. Die Umstände der Begutachtung ärgern mich fast genauso wie die Begutachtung an sich.
Im Krankenhaus melde ich mich militärisch im Geschäftszimmer der psychiatrischen Abteilung. Ein Stationsarzt nimmt mich in Empfang und zeigt sich verwundert, als ich ihm sage, dass ich wie abgesprochen mit meinem Diensthund angereist bin. Er fragt mich provokant, was ich mir dabei denke. Mir wäre doch wohl mitgeteilt worden, dass für die Untersuchungen eine ganze Woche eingeplant ist und ich für diese Zeit stationär aufgenommen werde. Ebenso gereizt entgegne ich ihm, dass mir vorher aber zugesagt wurde, mit meinem Diensthund außerhalb der Krankenhausanlage nächtigen zu können. Ich zeige ihm das Fax der Julius-Leber-Kaserne. Meinen Hinweis, dass eine Kopie dieses Schreibens bereits eine Woche zuvor bei seinen Mitarbeitern eingegangen ist, ignoriert er betont uneinsichtig und wirft mir an den Kopf, dass es ihn überhaupt nicht interessiere, was ich mit irgendwem abgemacht hätte. Der Arzt, der mich ambulant begutachten wollte, sei jetzt nicht da und er selbst bestehe auf einer stationären Aufnahme. Das Gespräch schaukelt sich auf dem Flur zu einem lautstarken Wortgefecht hoch. Der Militärarzt ist es offenbar nicht gewohnt, von einem Stabsunteroffizier Widerworte zu bekommen. Wahrscheinlich ist ihm nicht bewusst, dass ich bereits im elften Dienstjahr Soldat bin und nicht mit mir umspringen lasse wie mit einem Rekruten.
Dann sagt dieser psychologisch geschulte Arzt etwas, was mich endgültig zur Weißglut bringt: Ich soll mich zusammenreißen und mich nicht so unsoldatisch aufführen. Jetzt muss ich mich wirklich sehr zusammenreißen, damit ich nicht im Affekt etwas tue, was ich später bereue, denn dieser Satz trifft mich in meiner Soldatenehre und löst in mir eine grenzenlose Empörung aus. Es gelingt mir nur mit Mühe, mich zurückzuhalten, und ich frage ihn ganz sachlich, ob ich zumindest die Möglichkeit erhalte, alle vier bis sechs Stunden meinen Hund auszuführen, wenn ich denn schon hierbleiben muss. Da Idor daran gewöhnt ist, sogar im wesentlich ungemütlicheren Hundeanhänger zu schlafen, habe ich keine Bedenken, ihn in meinem Kombi zu lassen. Doch der Arzt befiehlt mir barsch, mich bei meinem Vorgesetzten im Heimatstandort zurückzumelden. Als Soldat habe ich kein Problem damit, Befehle entgegenzunehmen, es geht mir aber gänzlich gegen den Strich, ungerecht und von oben herab behandelt zu werden. Ich soll ausbaden, dass man sich hier untereinander nicht abspricht. Urplötzlich spüre ich ein unbändiges Gefühl von Wut in mir, das ich so noch nicht kannte. Zu gerne möchte ich diesem Schnösel, der mich als unsoldatisch abkanzelt, einfach eine aufs Maul hauen. Er hat vermutlich noch nie Blut geschmeckt, geschweige denn eine Explosion
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