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Soldatenglück - Sedlatzek-Müller, R: Soldatenglück

Soldatenglück - Sedlatzek-Müller, R: Soldatenglück

Titel: Soldatenglück - Sedlatzek-Müller, R: Soldatenglück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Sedlatzek-Müller
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stehen. Die Frau fasst mir mit ihren knöchernen Händen ins Gesicht und schubst mich die Treppe hinab. Ich falle …
    Jana ist noch nicht zu Hause. Ich gehe ins Bad, um mir etwas Wasser ins Gesicht zu werfen. Ich habe Angst davor, in den Spiegel zu schauen. Der Gedanke daran, dass ich dort die alte Frau vom Dachboden sehe, lässt mich erschauern. Ich knipse nach und nach in der ganzen Wohnung das Licht an und hole mir Idor ins Bett. Langsam kann ich mich beruhigen. Dieser Traum liegt mir noch lange auf der Seele. Ich vermeide fortan Dunkelheit in der Wohnung.
    Die Wochen bis zur nächsten Sitzung werden immer belastender für mich. Ich schaffe es kaum noch, stressfrei durch die Stadt zum Einkaufen zu gehen. Panikattacken überkommen mich, sobald ich auf viele Menschen treffe. Ich muss dann sofort raus. Ich möchte am liebsten gar nicht mehr nach Hamburg fahren, doch Jana macht mir wieder Mut.
    Im Zimmer von Herrn Barrel ist es viel heller als bei Herrn Eisenlohr. Angespannt und verunsichert sitze ich da und warte darauf, wieder von den Ereignissen zu berichten. Doch dazu kommt es erst gar nicht. Herr Barrel erklärt mir, dass er in Kürze in den Ruhestand gehen werde und ich deshalb an einen anderen Psychologen übergeben werde. Das ist zu viel für mich! Während er noch redet und redet, stelle ich mir bildlich vor, wie ich ihn mit seinem Brieföffner absteche, dann direkt weiter zu Herrn Eisenlohr gehe und ihm den abgeschnittenen Kopf von Barrel präsentiere. Soll er sehen, was er angerichtet hat! Ich stehe auf und entschuldige mich damit, dass es mir nicht gut geht. Ich verlasse sein Zimmer und gehe raus an die frische Luft. Dann steige ich geistesabwesend ins Auto und fahre einfach weg. Die können mich mal. Ich bin voller Zorn und schaffe es Gott sei Dank ohne Zwischenfall nach Hause. Dieser Tag wird zu einem weiteren tiefen Einschnitt in meinem Leben.
    Meine Gedanken kann ich nicht mehr kontrollieren. Ich bin einfach nur verzweifelt. Ich bekomme einen Ausschlag. Immer gegen neun Uhr abends beginnen meine Beine, Füße und mein Rücken zu jucken. Oft liege ich nachts im Bett und kratze mich so stark, dass ich blute. Jana ist darüber wütend, denn die Blutflecken sind nun in jeder Bettwäsche und gehen beim Waschen kaum noch raus. Auf meinem Rücken bilden sich viele kleine Hückel, als wäre ich in die Brennnesseln gefallen. Um auszuschließen, dass ich auf etwas allergisch reagiere, hole ich meinen Schlafsack aus dem Keller und schlafe mehrere Nächte im Wohnzimmer. Aber auch dort bekomme ich den Ausschlag. Ich versuche es mit einer teuren Körperlotion und einem phneutralen Duschbad. Doch bald tritt der Ausschlag nicht mehr nur nachts auf, sondern kommt auch am Tag. Mein Banknachbar in der Bundeswehrfachschule, dem ich ratlos meinen Arm zeige, ekelt sich vor dem Anblick und fragt mich, ob das ansteckend sei.
    Da ich endlich wissen möchte, um was es sich handelt, gehe ich zum Standortarzt und bekomme eine Überweisung zum Dermatologen an das Bundeswehrkrankenhaus Hamburg. Dort stellt sich schnell heraus, dass ich an Nesselsucht leide. Die Nesselsucht ist ein Anzeichen für eine stark angeschlagene Psyche. Nachdem ich der Ärztin kurz meine Geschichte erläutert habe, wundert sie sich über nichts mehr. Ich bekomme Tabletten, die den Juckreiz unterbinden, jedoch nicht die Nesselsucht an sich behandeln. Sie gibt mir den Rat, mich unbedingt therapieren zu lassen. Mit einem »Jaja« verabschiede ich mich und fahre wieder zur Schule. Meine Leistungen im schriftlichen Bereich werden dort immer schlechter. Mit meinem Klassenlehrer gerate ich so heftig aneinander, dass er den Unterrichtsraum verlässt. Die Albträume ereilen mich nun auch am Tag in Form von Flashbacks, unkontrolliert und immer öfter. Ich treffe für mich resigniert die Entscheidung, den Unterricht zu verlassen, und fahre einfach nach Hause. Es dauert nicht lange, bis ich zum Schulleiter muss. Ich müsse mich abmelden. Ihm zu erklären, dass ich das in so einem Moment nicht kann, probiere ich erst gar nicht.

ICH GEHE AN DIE ÖFFENTLICHKEIT
    Zu lange habe ich darauf vertraut, von meinen Vorgesetzten, auch auf höherer Ebene, Hilfe zu bekommen. Ein Brief, den ich Hilfe suchend an den Verteidigungsminister geschrieben habe, wird mit dem Hinweis »Wir können Ihnen nicht helfen« beantwortet. Zudem schreibt mir ein ranghoher General, dass er meine Überlegung, mich in der Angelegenheit an die Presse zu wenden, als störend und unnötig empfinde:

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