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Soldatenglück - Sedlatzek-Müller, R: Soldatenglück

Soldatenglück - Sedlatzek-Müller, R: Soldatenglück

Titel: Soldatenglück - Sedlatzek-Müller, R: Soldatenglück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Sedlatzek-Müller
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Vertrauenspersonen mit einer Vollmacht auszustatten. Auch mit so unschönen Dingen wie einem Testament und einer Patientenverfügung müssen wir uns auseinandersetzen.
    Ich bin jung, gesund und stark. Mir passiert schon nichts! Außerdem ist die Bundeswehr ja mit humanitären Aufgaben betraut und nicht wie die Amerikaner ständig in Kampfhandlungen verstrickt. Aber wie erklärt man das seiner Mutter? Am letzten gemeinsamen Wochenende fasse ich mir ein Herz. Ich besorge Samstag früh Brötchen von unserem Lieblingsbäcker und decke den Tisch. Nach dem Frühstück bitte ich meine kleine Schwester, aufs Zimmer zu gehen, da ich mit unseren Eltern etwas zu bereden hätte. Ruhig und bestimmt sage ich dann: »Ich werde in den Kosovoeinsatz gehen.« Meine Mutter reagiert viel heftiger, als ich erwartet habe: »In den Kosovo? Du spinnst ja wohl! Da gehen doch nur Mörder hin. Wenn du dort hingehst, wirst du auch zum Mörder!« Ich blicke zu meinem Vater hinüber. Auch er scheint überrascht zu sein, wie vehement sie sich gegen den Einsatz ausspricht. Vielleicht sagt er deshalb lieber gar nichts. Meine Mutter hingegen ist nicht mehr zu bremsen. Alle meine Versuche, sie umzustimmen, und jedes Argument von mir, weshalb es politisch und humanitär wichtig ist, sich dort zu engagieren, schmettert sie ab. »Seit wann interessierst du dich denn für Politik? Du hast doch keine Ahnung, was in Jugoslawien los ist. Und beim Bund haben die euch bestimmt auch nichts über die Zusammenhänge erzählt. Da auf dem Balkan bekriegen sie sich schon seit Jahrhunderten.« Wütend schreie ich durch die Küche: »Das ist mir doch egal! Ich gehe in den Einsatz! Ich habe mich schon dazu verpflichtet!« Jetzt fängt meine Mutter auch noch an zu weinen. Mein Vater nimmt sie tröstend in die Arme und ich komme mir furchtbar schlecht vor. Wütend verlasse ich die Wohnung und knalle hinter mir die Tür zu.
    Ziellos laufe ich durch die Stadt und überlege, wie ich mich verhalten soll. Ich will mit meinen Kameraden in den Einsatz. Wir haben so viel gemeinsam erlebt und durchgestanden, da will ich mich jetzt nicht ausschließen. Irgendwie bin ich auch stolz darauf, dass ich als Soldat für diese heikle Aufgabe eingeplant bin, und habe das auch von meinen Eltern erwartet. Ich bin enttäuscht und beschließe, noch heute zurück in die Kaserne zu fahren. Meine kleine Schwester sitzt auf der Treppe vor dem Haus. Sie freut sich, mich zu sehen, vielleicht hat sie auf mich gewartet. »Mutti ist ganz schön sauer«, sagt sie. Ich packe schnell meine Sachen zusammen. Meine Eltern sagen zum Glück nicht viel, aber die Stimmung ist bedrückt. So hatte ich mir den Abschied nicht vorgestellt. Im Vorbeigehen sage ich: »Ich bin jetzt erst einmal ein paar Wochen in Hammelburg im Übungslager. Zum Telefonieren komme ich da aber nicht.« Die kleine Reisetasche mit meiner Wäsche schmeiße ich auf den Rücksitz meines Autos und fahre verärgert zur Kaserne. »Mörder«, geht mir durch den Kopf. Als ob ich ein Mörder wäre … So ein Quatsch!
    Der Montagmorgen in der Kaserne beginnt bei tiefster Dunkelheit. Wir werden vom nahe gelegenen Güterbahnhof aus starten und etwa 13 Stunden bis zu unserem Ziel in Bayern brauchen. Antreten, Beladen der Lkw, geordnete Aufstellung an der Waffenkammer zum Waffenempfang, ein letztes Frühstück in unserem Speisesaal, wo wir auch unsere Marschbeutel mit der Verpflegung für die nächsten 24 Stunden erhalten, alles läuft nach einer Art Choreografie ab. Ich beeile mich mit dem Frühstück, da ich als Fahrzeugführer dafür verantwortlich bin, den Geländewagen auf dem Güterwaggon zu verzurren und gegen Wegrollen zu sichern. Als die Bahn sich in Bewegung setzt, herrscht eine ausgelassene Stimmung. Ich muss unwillkürlich an die Bilder der jungen Soldaten denken, die fröhlich aus einem Güterwaggon winkend in den Ersten Weltkrieg ziehen. Den Gedanken schiebe ich lieber schnell zur Seite und frage den Oberstabsgefreiten Zott, der mit mir im Abteil sitzt, weshalb wir 13Stunden bis Hammelburg brauchen. »Fährst wohl das erste Mal nach Hammelburg?«, kriege ich zur Antwort. Ein schiefes Lächeln erhellt sein mürrisches Gesicht. Ich nicke nur etwas verlegen. »Alter, du hast ja keine Ahnung! Alle Personenzüge, die unseren Weg kreuzen, haben Vorrang. Die meiste Zeit der Fahrt warten wir dumm vor den Bahnhöfen, bis die Zivilisten durch sind. Klar?« – »Klar.«
    Dann werfe ich einen Blick in den Marschbeutel. Das ist wohl die stille Rache

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