Soldatenglück - Sedlatzek-Müller, R: Soldatenglück
der Küchensoldaten, weil wir uns immer über das Essen beschweren, geht mir durch den Kopf. Vom Knistern der Plastiktüte animiert, kramt auch Zott seinen Proviant aus der Seitentasche seines Rucksacks hervor. Dort, wo ich streng nach Verpackungsplan eine wassergefüllte Feldflasche aus Aluminium und ein kleines olivgrünes Stoffmäppchen mit Nähzeug habe, zaubert er eine Flasche Cola und ein Paket Waffeln hervor. Zott bemerkt meinen gierigen Blick und reicht mir beides herüber. »Verpackungsplan schön und gut. Aber du musst lernen, in Zukunft zweckmäßig zu packen.« – »Ja«, sekundiert der ansonsten wortkarge Hauptgefreite Jennrich aus seiner Ecke: »Mann, du weißt doch, dass die nur unnützen Kram in die MArsch-Beutel stopfen!« Trotz meiner inzwischen fast 15Monate Dienstzeit komme ich mir zwischen diesen alten Hasen wie ein Grünschnabel vor. Als wir Hammelburg erreichen, ist es später Abend. Bis weit nach Mitternacht sind wir mit dem Abladen und dem Beziehen der Unterkunftsgebäude beschäftigt. Als wir uns endlich hinlegen dürfen, bin ich völlig erledigt und schlafe sofort ein.
Am nächsten Morgen erkunde ich das Lager genauer. Der Aufklärungs- und Verbindungszug wurde beauftragt, den Weg zu den einzelnen Übungsstationen mit Wegweisern zu kennzeichnen. Dabei erfahre ich von Oberfeldwebel Rüstmann, meinem direkten Vorgesetzten, den ich bei dieser Aufgabe begleite, dass Hammelburg bereits seit 1896der Infanterie als Truppenübungsplatz dient. Die Ortschaften Bonnland und Hundsfeld sind zentraler Bestandteil dieser Anlage, in der man den Ortsund Häuserkampf besonders realistisch übt, weil diese Gefechtssituation für diejenigen, die in Gebäude eindringen wollen, äußerst riskant und verlustreich ist. »Damit die ›Sturmtruppen‹ das üben können, wurden die beiden Siedlungen 1937von den Nazis kurzerhand zwangsgeräumt«, erzählt mir der Oberfeldwebel, während wir die Hinweisschildchen in den Boden pflanzen. Es ist die größte Anlage in Europa, um den Kampf in einer Ortschaft zu üben. Soldaten aus Partnerstaaten wie Frankreich und Belgien kommen hierher, um zu trainieren. Allein in Bonnland stehen etwa 120Häuser. Sie sind teilweise voll eingerichtet. Es gibt ein Straßencafé, ein Gemeindehaus mit Bürgermeisterstube, eine Werkstatt und viele kleine Schweinereien wie ein unterirdisches Kanalsystem, Scharfschützenverstecke, Löcher in der Decke und in den Wänden, von wo jederzeit ein Angriff erfolgen kann. »Die haben sogar ein Hochhaus hingestellt, damit wir uns vom Dach abseilen und durch die Fenster schwingen können«, erzählt mir Rüstmann lachend. Er liebt diese Art Nervenkitzel wohl und freut sich ganz offensichtlich auf die Wochen auf dem Übungsplatz. Anhand der eingelagerten Munition kann ich erahnen, dass wir in nächster Zeit mehr Patronen verschießen werden, als ich es während meiner gesamten bisherigen Dienstzeit getan habe.
Vom Ausschildern zurück, steht erst einmal trockener Unterricht auf dem Plan. Wir werden in die Sitten und Gebräuche Jugoslawiens eingewiesen und erhalten etwas Landeskunde. Auch die gebräuchlichsten Sätze für unseren Auftrag werden uns mitgegeben. Fett gedruckt ist dabei »Stop or I fire«, auf Serbokroatisch »Stani ili pucam« und auf Albanisch »Ndal ose une do te Quelloy«. Später gehen wir in eine Scheune. Um einen Sandkasten herum sind mehrere Holzbänke aufgestellt. Uns wird anhand des darin errichteten Modells der Ortschaft ein Übungsszenario beschrieben, das wir im Anschluss bewältigen sollen. Die Männer des AVZ sind einer Kampfkompanie unterstellt und auf die einzelnen Züge aufgeteilt worden. Mich hat man mit Oberfeldwebel Rüstmann dem Zug von Hauptfeldwebel Schleifer aus der 2. Kompanie zugeteilt. Ein sehr großer, kräftiger Mann mit lauter und sonorer Stimme. Ich habe ihn noch nie lächeln sehen, geschweige denn lachen hören. Er ist bekannt dafür, dass er die Dienstvorschriften nahezu wörtlich umsetzt und seinen Männern ein hohes Maß an Disziplin abverlangt.
Nach der Instruktion teilt der Hauptfeldwebel den einzelnen Gruppen seines Zuges ihre Aufgaben zu. Ich soll mich mit den Sanitätern in weniger exponierter Position aufhalten – eine logische Entscheidung, damit niemand im Weg steht, wenn er seine gut aufeinander eingespielten Leute durch das Geschehen dirigiert. Trotzdem bin ich enttäuscht und wäre lieber mehr eingebunden worden. Die Gelegenheit dazu bietet sich gleich nach dem ersten Szenario. Zwei
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