Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Soldatenglück - Sedlatzek-Müller, R: Soldatenglück

Soldatenglück - Sedlatzek-Müller, R: Soldatenglück

Titel: Soldatenglück - Sedlatzek-Müller, R: Soldatenglück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Sedlatzek-Müller
Vom Netzwerk:
gesehen. Ich bin auch nicht scharf darauf und ganz froh, kein Feldjäger zu sein. Die Einheiten der Militärpolizei sind mit der Spurensicherung beauftragt. Sie sind hier tagtäglich unterwegs, dokumentieren den Schrecken und machen Beweisfotos.
    Nach dem Debriefing verlasse ich das Zelt und setze mich zu einigen Kameraden ans Lagerfeuer. Wir trinken Skopsko, ein Bier, das in Mazedonien gebraut wird. In einem Wasserbottich kühlen wir es auf etwas unter 30Grad herunter. Zwei kleine Dosen pro Tag sind uns erlaubt, außer an den Tagen, an denen man Wache hat. Währenddessen Alkohol zu trinken, wäre ein Wachvergehen, das streng bestraft würde. Wir unterhalten uns über Belanglosigkeiten und erzählen uns Anekdoten, hauptsächlich aus der Grundausbildung und den gemeinsam durchgestandenen Lehrgängen und Übungen. Die schlechten Gefühle und Gedanken verfliegen darüber. Zott kommt an uns vorbei und ruft mir in Anspielung auf den überfreundlichen Kosovaren ein »Prost, Mula!« zu.

HAUSDURCHSUCHUNG
    Ich habe Wachdienst. Inzwischen Routine, trotzdem sind die 24 Stunden, besonders wegen der Hitze, ermüdend und anstrengend. Jeden Tag aufs Neue kontrolliere ich die Kosovo-Albaner mit der gleichen Gründlichkeit, wenn sie das Lager betreten oder verlassen. Ihre Gesichter sind mir größtenteils bereits bekannt. Sie wurden als Arbeiter zum Aufbau des Lagers eingestellt. Falls sie mit einem Fahrzeug hineinwollen, werden sämtliche Versteckmöglichkeiten genauestens in Augenschein genommen. Die Insassen sind währenddessen außerhalb des Fahrzeugs unter Beobachtung. Sicherlich fluchen sie oft über uns, wenn wir die Verblendungen im und am Wagen entfernen. Meist bleiben Kratz- und Arbeitsspuren zurück, darauf können wir allerdings keine Rücksicht nehmen.
    Heute melde ich mich lieber freiwillig zur Lagerstreife, als am Tor zu stehen, so bleibe ich in Bewegung. Zott, als Oberstabsgefreiter der höchste Dienstgrad unserer kleinen Wachmannschaft, ist wie immer der Wachhabende. Er ist einverstanden und stellt mir wunschgemäß Kehl zur Seite. Gegen Mittag werfen wir uns die Bristolweste über die Schultern und machen uns für den Streifengang fertig. Zott schaut von seinem Schreibtisch auf und ermahnt uns, rechtzeitig zurückzukommen. Wir müssen Limmann und Kutz am Tor ablösen, damit sie rechtzeitig zum Essen gehen können. Die beiden suchen am Eingangstor im spärlichen Schatten eines Baumes etwas Schutz vor der Mittagshitze. Limmann ist schon etwas ungeduldig und ruft uns zu, dass wir uns beeilen sollen. Es ist so heiß, dass der Wachwechsel, der normalerweise alle zwei Stunden erfolgt, während des Tages stündlich stattfindet. Gemeinsam mit Kehl laufe ich die zuvor festgelegte Route ab, die zwischen der Umzäunung und sicherheitsrelevanten Stationen wie der Waffenkammer und den Fahrzeugstellplätzen innerhalb des Lagers entlangführt und ständig gewechselt wird. Ich bezweifle noch immer, dass das Lager minenfrei ist, deswegen bleibe ich möglichst auf asphaltierten Wegen oder dem während der letzten Wochen fuhrenweise aufgeschütteten blauen Schotter.
    Wir sind gerade bei dem Kfz-Abstellplatz angekommen, als wir jemanden schreien hören. Alarmiert folgen wir der Richtung, aus der die Schreie kommen, und sehen hinter der Umzäunung einen Mann wild gestikulierend im hohen Gras stehen. Es handelt sich um ein gekennzeichnetes, ungeräumtes Minenfeld, das aus diesem Grund auch nicht abgemäht wurde – ansonsten ist man immer bemüht, das Gelände um ein Lager herum gut überschaubar zu halten. Auf den zweiten Blick begreife ich, weshalb der Mann, der, nach seiner traditionellen eierschalenartig geformten Kopfbedeckung zu urteilen, ein Albaner sein muss, so aufgeregt ist: Seine Kuh steht etwa 80Meter vom Zaun entfernt mitten im Feld und rupft in aller Ruhe die Grashalme ab. Langsam bewegt sie sich in Richtung des Zauns. Die Situation mit dem Pferdekadaver fällt mir ein, und die Mahnung, in solch einer Situation das Tier lieber zu erschießen, um nicht durch Sekundärprojektile gefährdet zu werden, wenn es eine Mine auslöst. Ich kontaktiere Zott per Funk. Er ist hörbar genervt, seine Anweisung ist, zu warten.
    Die Kuh bewegt sich grasend immer näher heran. Sie ist nur noch 30bis 40Meter von uns entfernt. Der Besitzer steht etwa 10Meter hinter seinem Vieh und scheint sich nicht darüber im Klaren zu sein, in welcher Gefahr er sich befindet. Kehl und ich schreien: »Mina, Mina!«, und geben ihm Handzeichen wegzugehen.

Weitere Kostenlose Bücher