Soldatenglück - Sedlatzek-Müller, R: Soldatenglück
von mehreren Tausend D-Mark bezahlt wird. In einem Fall kam ein in Deutschland lebender Albaner Hilfe suchend zu einem meiner Kameraden gelaufen, der an der Grenze Wache hielt. Er hatte seine blutigen Schneidezähne in der Hand und berichtete, dass man ihm seinen Mercedes konfisziert habe. Wegen des deutschen Kennzeichens an dem neuen Wagen hielten die Zollbeamten am albanischen Grenzposten ihn für wohlhabend und verlangten eine Auslösegebühr in fünfstelliger Höhe. Als er und sein Beifahrer protestierten, schoss man seinen Begleiter einfach nieder und schlug ihm selbst die Zähne aus. Er konnte sich noch zu der kosovarischen Grenzstation retten und hoffte nun auf Hilfe von den deutschen Soldaten. Da das Mandat aber einen Einsatz der Truppen nur bis zur Grenze des Kosovo erlaubt, hat man für den armen Mann nichts weiter tun können, als ihn medizinisch zu versorgen. In Gesprächen mit vielen meiner Kameraden erfahre ich, dass sie unter solchen Umständen oft am Sinn unseres Einsatzes zu zweifeln beginnen. Auch mir fällt es schwer, zwischen Freund und Feind zu unterscheiden.
Bei den Hausdurchsuchungen, an denen der AVZ ebenfalls zur Unterstützung der Kampfkompanie teilnimmt, sind öfter Erfolge zu verbuchen als bei den Straßenkontrollen. Nach welchen Kriterien die Häuser ausgewählt werden, ist mir nicht bekannt. Der Ablauf ist immer der gleiche. Einige Soldaten riegeln ein Wohnviertel ab, die übrigen durchsuchen zeitgleich die Häuser. Lkw und Geländewagen versperren die Zufahrtswege. Die Wiesel-Kettenfahrzeuge sind an strategisch günstigen Stellen positioniert und sollen abschrecken. Da sie mit der 20MillimeterMaschinenkanone wie kleine Panzer aussehen, wirkt ihr Erscheinen Furcht einflößend. Allerdings schaut die Besatzung mit dem Oberkörper aus dem Fahrzeug heraus und wird oft zum Ziel von Heckenschützen. Ein Wiesel-Kommandant wurde von einer Kugel aus einer Kalaschnikow knapp unterhalb des Halses getroffen. Zu seinem Glück schlug das Projektil auf die Keramik-Aramid-Platte seiner Bristolweste und verursachte außer einer heftigen Prellung keine Verletzungen. Der Hauptfeldwebel verfolgte den Schützen sogar noch, verlor ihn aber in einem Gebüsch aus den Augen.
Bei einem solchen Einsatz stehe ich mit Kehl vor einem Einfamilienhaus aus rotem Backstein. Wir zwei sind inzwischen ein eingespieltes Buddyteam. Während Kehl schräg versetzt hinter mir steht und mit der Waffe freies Schussfeld hat, klopfe ich energisch an die Haustür und sage meinen Spruch auf: »Hier spricht die Bundeswehr, öffnen Sie die Tür! – Here is the German Army, open the door!« Mein Gewehr habe ich schussbereit in den Händen, nur die Mündung ist leicht zum Boden geneigt, bereit, jederzeit in die Höhe zu schnellen. Da wir den Auftrag haben, Waffen und Kriegsgerät sicherzustellen, ist das angemessen, denn jederzeit könnte ich selbst, wenn sich die Tür öffnet, in den Lauf einer Waffe blicken. Stattdessen sind es die erschrockenen Augen einer zierlichen Frau. Sie trägt ein Kleinkind auf dem Arm und versucht die Tür bei meinem Anblick schnell wieder zu schließen. Ich habe bereits meinen Fuß in der Tür und drücke mich an der Frau vorbei ins Haus. Ich erkläre auf Deutsch, dass ich jetzt das Haus durchsuchen will, werde aber offenbar nicht verstanden. Ich kontrolliere das ganze Haus Raum für Raum. Kehl bleibt mit der Mutter im Flur stehen und blickt mir nach, während ich die Zimmer links und rechts vom Flur überprüfe. Es geht schnell, denn die Einrichtung ist sehr spärlich. Überhaupt scheinen diese Leute sehr arm zu sein. Die Wände sind kaum verputzt und im ganzen Haus riecht es erbärmlich. Kehl hat sich ein Tuch über Mund und Nase gebunden, was ihm nicht viel nutzen wird.
Meine Frage danach, wo sich ihr Mann aufhält, will die Frau nicht verstehen. Also frage ich sie nochmals etwas barscher und auf Russisch nach dem Cyprug, also ihrem Gatten. Die Frau fängt an zu weinen, ebenso das kleine Kind, das nun neben ihr steht und ihre Hand fest umschlossen hält. Ich will nicht noch mehr Druck aufbauen und überlasse es Kehl, die beiden zu beruhigen, während ich mich weiter im Haus umsehe. In sehr schlechtem Deutsch sagt sie uns schließlich: »Arbeit Feld.« – »Cyprug rabota?«, frage ich noch mal nach. Sie nickt und versucht mich am Arm zur Tür zu schieben. Auch Kehl möchte diese unangenehme Situation schnell zu Ende bringen und redet mir zu, hinauszugehen und lieber noch einen genauen Blick auf den Hof
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