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Soldatenglück - Sedlatzek-Müller, R: Soldatenglück

Soldatenglück - Sedlatzek-Müller, R: Soldatenglück

Titel: Soldatenglück - Sedlatzek-Müller, R: Soldatenglück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Sedlatzek-Müller
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Boden legt. Wenn aber der Jagdtrieb eines Hundes geweckt ist, werden alle anderen Wahrnehmungen ausgeblendet. Er ist ein so tief sitzender Urinstinkt, dass die Hunde ihren Gehorsam komplett vergessen. Auf die britischen Elitesoldaten muss das sehr unprofessionell wirken und ich merke, wie ich vor Scham rot anlaufe. Ein Blick zu meinem Zugführer sagt mir sofort, was er dabei empfindet. Die Halsschlagadern des Rangers treten, wie immer, wenn er sich ärgert, deutlich hervor. Sein laut schallender Ruf »Idooor!« lässt mich zusammenzucken. Idor zeigt aber keinerlei Reaktion, er ist voll auf seine Beute fixiert. Selbst Festas’ markerschütternde Stimme dringt nicht zu ihm durch. Unbeirrt jagt mein sonst so folgsamer Hund der Katze in das Gebäude hinterher.
    In der Hoffnung, ihn hier endlich zu fassen zu bekommen, renne ich ebenfalls durch die offene Eingangstür in einen schummerigen, spärlich möblierten Raum hinein. Dort steht Idor an einem kleinen Lüftungsschlitz, durch den die Katze gesprungen sein muss. Er schnuppert ganz aufgeregt hinter der Katze her. Hinter ihm sehe ich zwei Afghanen völlig perplex an einer Wand sitzen. Mit weit aufgerissenen Augen starren sie Idor an, als wäre er ein Schaitan oder George W. Bush persönlich, der gekommen ist, um sie zu sich zu holen. Obwohl ich mich darüber ärgere, mich mit meinem Hund bis auf die Knochen blamiert zu haben, kann ich mir das Lachen kaum verkneifen. Ich greife mir Idor resolut an seinem Halsband und führe ihn hinaus. Hauptfeldwebel Festas erwartet uns bereits und sagt mir, dass ich den Hund gleich wieder in seine Box im Hundeanhänger bringen kann. Jetzt, wo der Jagdtrieb geweckt sei, könne man von Idor erst einmal keine zuverlässige Anzeige bei der Suche nach Kampfmitteln erwarten. Der Ranger beauftragt Hässlich damit, weiterzusuchen. Es nagt gewaltig an meinem Stolz, dass Idor wie in einem Comic blind einer Katze hinterhergejagt ist. Ich bin enttäuscht und fürchte den Spott meiner Kameraden.
    Lancer gesellt sich zu mir. Er merkt mir meinen Unmut an und versucht mich aufzumuntern. Freundlich lachend bietet er mir eine Zigarette an und sagt, dass Idor sich doch gut als Hofhund eignen würde. Gemeinsam rauchend amüsieren wir uns über die erschrockenen Afghanen, deren Gesichtsausdruck ich nachzuahmen versuche. Nebenbei beobachten wir ein paar junge, mit Sturmgewehren bewaffnete Afghanen.
    Eine mit dem ISAF-Mandat verbundene Auflage zwingt uns, immer afghanische Sicherheitskräfte in unsere Arbeit einzubinden. Da es sich in diesem Fall um einen als besonders wichtig eingestuften Auftrag handelt, wurden uns Leute vom afghanischen Geheimdienst an die Seite gestellt. Lancer stellt fest, dass diese Leute immer gepflegte, fast neue Schuhe tragen. Er sinniert sarkastisch über einen möglichen Zusammenhang mit dem Phänomen, dass die ein bis drei Dutzend Leichen, die jeden Morgen an Kabuls Stadtrand gefunden werden, meist keine Schuhe tragen. Der Geheimdienstler, den wir gerade beobachten, ist so jung, dass er noch keinen Bart trägt. Die lässig umgehängte Kalaschnikow signalisiert uns, dass er nicht besonders motiviert bei der Arbeit ist. Ein Brite, der einer Pioniereinheit angehört und uns mit einem Metalldetektor unterstützt hat, steht ebenfalls in der Nähe und verpackt sein Arbeitsgerät. Anders als beim deutschen Vallon-Detektor befindet sich kein ringförmiger Sensor an seinem Metallsucher, es macht aber das gleiche monotone, etwas quäkige Geräusch. Da der Stab zur Hälfte aus knallgelb leuchtendem Kunststoff gefertigt ist, erinnert das Ding unwillkürlich an ein Lichtschwert aus »Star Wars«.
    Ich weiß nicht, ob der milchbärtige Afghane jemals einen Science-Fiction-Film gesehen hat, aber als der Pionier, oder auf Englisch korrekter »engineer«, sein Lichtschwert im Scherz auf ihn richtet und einschaltet, erschrickt der junge Afghane heftig. Seine Reaktion lässt Lancer und mich die Luft anhalten: Blitzartig hat er seine Kalaschnikow im Hüftanschlag und reißt den Spannhebel durch, um eine Patrone in den Lauf zu befördern. Der Brite lächelt weiterhin gelassen und packt die vermeintlich futuristische Waffe weg. Lancer und ich schauen uns an. Wir haben den gleichen Gedanken – entweder ist der Bursche strunzdumm und hat keine Ahnung, wie nah er dem Sensenmann gerade war, oder die Briten sind genauso verrückt wie die Afghanen und halten es für einen großartigen Scherz, wenn man auf sie schießt. Seine Gelassenheit rettet ihm

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