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Soldatenglück - Sedlatzek-Müller, R: Soldatenglück

Soldatenglück - Sedlatzek-Müller, R: Soldatenglück

Titel: Soldatenglück - Sedlatzek-Müller, R: Soldatenglück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Sedlatzek-Müller
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Lager knapp gewesen. Daher war befohlen worden, dass nur für elementare Aufgaben wie Patrouillenfahrten und den Betrieb des Feldlazaretts Kraftstoff ausgegeben werden darf. Der Major hatte allerdings keinen Diesel mehr für seinen Generator, den er hauptsächlich für den Betrieb seiner Zeltheizung, wie er sagte, dringend benötige. Natürlich habe ihm unser Kamerad aus dem Materialtrupp keinen Tropfen überlassen. Das habe den kälteempfindlichen Major derart erzürnt, dass er seine Dienstpistole zog, bereit zum Schuss durchlud und auf unseren Kameraden anlegte. Die ganze Sache ging zum Glück glimpflich aus, daher wurde der Offizier trotz seines Lagerkollers nicht sofort aus dem Einsatz entlassen.
    Milano und ich sind über diesen Vorfall empört, zumal wir unseren Versorger als sehr freundlichen und guten Kameraden schätzen. Wir sind uns darin einig, dass viel zu viele Soldaten dieses Schlages, die wir als »Stransky« schmähen, im Camp Warehouse sind. Stransky ist ein Charakter in einem Film über den Zweiten Weltkrieg, der uns als Synonym für unfähige Vorgesetzte dient. Solche Leute verlassen unser geschütztes Lager nur äußerst selten. Sie beteiligen sich auch nicht an der Lagerwache oder unseren Streifengängen, was zum Wohl aller Kameraden im Lager sicherlich besser ist. Meist handelt es sich um Verwaltungspersonal aus anderen Einheiten. Diese Soldaten aus der Etappe sind bei uns unbeliebt, da uns ihre Funktion im Einsatz nicht einleuchtet und sie den aufeinander eingespielten Infanteriegruppen bei einem Gefecht wahrscheinlich nur im Weg stehen.
    Lancer erreicht das Munitionsdepot. Wir müssen hier warten, bis der Sprengmeister uns über Funk die Erlaubnis erteilt, in seinen Verantwortungsbereich zu treten. Mit uns warten noch Oberfeldwebel Mesner und der Stabsgefreite Neuring. Sie sind normalerweise im Stabsgebäude tätig. Mesner erklärt uns, dass er einen Versuch durchführen will, wie man die Fensterscheiben im Stabsgebäude, einem mehrstöckigen und wegen der Kälte »Kühlschrank« genannten Betonklotz, mit einfachen Mitteln gegen einen Anschlag absichern kann. Die Fenster des seit Beginn unseres Einsatzes instand gesetzten Gebäudes sind nur einfach verglast worden, daher könnten bereits bei einer Explosion an der nur wenige Meter entfernten Hauptstraße die Scheiben bersten. Ich habe so etwas bereits im Kosovo erlebt. Die Scherben würden durch die Druckwelle wie Sekundärprojektile in den Raum hineinfliegen und Menschen womöglich lebensgefährlich verletzen. Unser Kamerad erwähnt auch, dass das Lager erst kürzlich Ziel eines Anschlags geworden ist.
    Ich hatte zuvor bereits von einem missglückten Angriff auf Camp Warehouse erfahren. Eine von fünf provisorisch auf das Lager gerichteten Raketen war über unsere Zelte hinweggeflogen und in der Wüstenlandschaft dahinter explodiert. Detonationen höre ich, seit ich in Afghanistan bin, mehrfach am Tag. Den Flug der Rakete über unsere Unterkünfte hinüber hat außer den Wachposten fast keiner bemerkt. Die Quick Reaction Force, eine schnelle Eingreiftruppe, überprüfte die Gegend, aus der die Rakete angeflogen kam, und entdeckte auf einer Anhöhe vier weitere Boden-Luft-Raketen vom Typ SA3, eine Hinterlassenschaft der Sowjets. Die Flugkörper waren in einer Art Reihenschaltung miteinander verbunden und an eine Zündvorrichtung angeschlossen. Mit einem improvisierten Zeitzünder, wahrscheinlich einem einfachen Wecker, wurde die erste Rakete ausgelöst. Glücklicherweise wurde der Anschlag wohl nicht besonders gründlich vorbereitet, die Verbindung riss bereits bei der zweiten SA3ab. Eine Rakete hätte mit verheerender Wirkung mitten unter uns explodieren können. Unsere Zeltplanen hätten 60 Kilogramm Sprengstoff und einer Splitterwirkung aus Hunderten kleiner Stahlwürfel nichts entgegenzusetzen gehabt.
    Dass unser Lager Ziel eines Anschlages wurde, bringt mich nicht sonderlich aus der Ruhe. Ich bin durch die Einsatzerfahrung aus dem Kosovo daran gewöhnt, mich ständig einer unbekannten Gefahr ausgesetzt zu sehen. Ich nehme das als Berufsrisiko hin. Würde ich mir Sorgen über das ohnehin Unvorhersehbare erlauben, käme ich nicht einmal während meiner kurzen Ruhephasen zum Schlafen.
    Es dauert noch etwas, bis der Funkspruch kommt und wir uns in den Gefahrenbereich in Bewegung setzen. Der Kranwagen, den ich vom Munitionsdepot aus nur erahnt habe, ist das Erste, was mir bereits von Weitem auffällt. Dann, daneben, direkt an der Sprenggrube,

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