Soldatenglück - Sedlatzek-Müller, R: Soldatenglück
höchstwahrscheinlich das Leben, denn die Mündung des Sturmgewehrs neigt sich langsam zu Boden, während der Afghane noch verunsichert dreinschaut. Immerhin haben wir eine beeindruckende Vorstellung von der Reaktionsgeschwindigkeit und Urteilskraft des jungen Geheimdienstlers erhalten. Wir sind uns einig, dass man den Burschen nicht unterschätzen sollte.
Limmanns Stimme lenkt unsere Aufmerksamkeit wieder auf das Geschehen im Gebäude. Sein Hund Bill hat sich erwartungsvoll vor einer Transportkiste aus Metall hingesetzt. Perle überprüft die Anzeige gerade mit seinem Hund. Auch Ben setzt sich deutlich gespannt vor die verschlossene Kiste. Wir holen einen der festgehaltenen Holzhändler und fordern ihn auf, uns ihren Inhalt zu zeigen. Der in löchrige Gewänder gehüllte Mann deutet entschuldigend auf das große Schloss davor und gibt vor, keinen Schlüssel dafür zu besitzen. Limmann holt den langen Bolzenschneider, den wir für solche Gelegenheiten immer mitführen, und reicht ihn aufmunternd dem Afghanen. Dem Mann bleibt kaum etwas anderes übrig, als das solide Vorhängeschloss durchzuknipsen. Er hebt den Deckel auf unser Geheiß vorsichtig an. Durch einen schmalen Schlitz überzeuge ich mich mithilfe meiner Taschenlampe davon, dass keine Drähte oder ähnliche Dinge, die auf eine Sprengfalle hindeuten, zu sehen sind. Dann gebe ich dem nervösen Kerl einen Wink, den Deckel gänzlich aufzuklappen. Siegessicher schauen wir nach, was sich denn in der Metalltruhe befindet, sie ist zu unserer Überraschung vollkommen leer.
Limmann will sich nicht mit der Fehlanzeige seines Hundes abfinden und hofft, einen doppelten Boden zu finden, aber die Metallbox ist und bleibt leer. Wir versuchen uns unsere Enttäuschung nicht anmerken zu lassen. Der Ranger ruft den Holzhändler zu sich und fragt ihn streng, was sich in der Kiste befunden habe. Der Afghane wirkt verunsichert. Ein Dolmetscher übersetzt ihn uns und sagt, dass in ihr immer nur Geld aufbewahrt werde, das der Inhaber aber für den Ankauf von Holz auf Geschäftsreise mitgenommen habe. Diese Antwort erscheint Festas plausibel genug. Wir wissen bereits, dass die nach unseren Maßstäben fast wertlosen afghanischen Geldscheine offenbar eine Chemikalie enthalten, die unsere Hunde mit einem vertrauten Geruch ihres Trainingsspielzeugs verwechseln. Frustriert fahren wir zurück ins Camp Warehouse. In der Nachbesprechung des Tages will der Ranger von uns wissen, wie es zu dieser eklatanten Fehlleistung kommen konnte. Die eindeutige Sprengstoffanzeige an der Geldkiste ist meinen Kameraden und mir ein Rätsel, denn wir sind uns der Fähigkeiten unserer Hunde absolut sicher.
Ein weiterer Fehlschlag, der sich einige Wochen später ereignet, bringt uns doch noch auf die richtige Fährte. Während einer Einsatzbesprechung erfahren wir, dass die ISAF-Führung plant, ihr Hauptquartier in dem Wohnhaus eines Warlords einzurichten. Das palastartige Anwesen wurde bei der Ankunft der NATO-Truppen vom Kriegsfürsten verlassen, weil er mit seiner Festnahme rechnen musste. Seit seiner Flucht steht das Gebäude leer und wurde der dringend nach Unterbringungsmöglichkeiten suchenden ISAF von den afghanischen Behörden angeboten. Der Gebäudekomplex liegt im Zentrum von Kabul, in einem gut bewachten Diplomatenviertel. In derselben Straße ist ein paar Häuser weiter auch die amerikanische Botschaft untergebracht. Ich werde an diesem Tag leider andernorts eingesetzt, aber Lancer erzählt mir bei unserer allabendlichen Partie Schach und einem Becher schwarzem Tee, wie die Abspüraktion verlaufen ist: Der gepflegte Garten und die Räume des luxuriös eingerichteten, doppelstöckigen Gebäudes wurden von deutschen und britischen Sprengstoffexperten mit Kampfmittelspürhunden nach Sprengfallen und Explosivstoffen durchsucht. In einem leeren Raum im oberen Stockwerk setzte sich einer der Spürhunde an einer Stelle vor die Zimmerwand. Der zweite Hund, der routinemäßig zur Kontrolle eingesetzt wird, platzierte sich an genau derselben Stelle und starrte erwartungsvoll auf die Wand, in der Hoffnung, dass sein geliebtes Spielzeug aus ihr hervorspringt. Die gründliche Untersuchung der britischen »engineers« mit technischen Prüfgeräten ergab aber, dass lediglich minimale Spuren einer zur Produktion von Sprengstoff verwendeten Chemikalie an diesem Teil der Wand nachzuweisen waren.
Diese Erkenntnis, in Zusammenhang gebracht mit der Feststellung, dass die Hunde bei Funden von Munition, die noch aus
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