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Soldner

Soldner

Titel: Soldner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howell Morgan
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von üppigen Feldern umgeben. Ein schmaler Fluss lief um einen Teil der Mauern herum, doch lag er an der falschen Stelle, um für die Orks ein Hindernis darzustellen. Von Dars Standpunkt aus wirkten die Soldaten des Königs wie aufgestellte Figuren des alten Hochlandspiels Steinschlacht. Orks und Menschen nahmen die Positionen verschiedenfarbener Steine
ein; doch Dar konnte die Strategie des bevorstehenden Angriffs anhand ihrer Positionen erkennen. Die Orks standen massiert am hohen Hang der Talseite und bereiteten sich auf ein Vorrücken vor, sobald die Finsternis ihren scharfen Augen einen Vorteil einräumte. Die Kavallerie des Königs besetzte Stellungen an der weiter entfernten Talseite, um Ausfälle zurückzuschlagen. Infanteristen marschierten schon um die Orks herum, um den Reitern beizustehen und die Stadt zu plündern, sobald sie eingenommen war.
    »He, Weib!«, rief ein Murdant. »Geh von dem Baum da runter!«
    Dar kletterte hinab. Der Murdant versetzte ihr eine Ohrfeige wegen Drückebergerei und befahl ihr, sich bei ihrer Einheit zu melden. Dar strolchte zwischen den wimmelnden Söldnern und Frauen herum, bis sie auf Neffa stieß. »Geh zu Teegs Wagen«, sagte Neffa. »Hol die schwarzen Körner und verteil sie an die Pissaugen.«
    Dar ging zum Wagen und füllte ein Säckchen mit Washuthahi-Körnern. Dann eilte sie zu den Orks. Die Ork-Schildronen trugen keine Banner oder andere Dinge, durch die man sie identifizieren konnte. Ihre rein auf Nützlichkeit getrimmten Rüstungen variierten kaum. Deswegen hatte Dar einige Schwierigkeiten, bis sie die Schildronen ihrer Kompanie fand. Frauen aus anderen Einheiten verteilten die Körner rein willkürlich, doch nicht Dar: Sie suchte, bis sie die Orks fand, die sie kannte. Und nachdem sie sie gefunden hatte, sagte sie nicht nur das Übliche, sondern fügte ihren Worten den Satz »Fasat Muth’la luthat tha« hinzu – Möge Muth’la dich beschützen .
    Als sie dies zu Kovok-mah sagte, schaute er sie so traurig an, dass sie impulsiv seine Wange streichelte. Dann wandte sie sich schnell um, damit er ihre Tränen nicht sah.

34

    FÜR TWEA UND DAR gab es keinen Schlafplatz. Die Orks hatten kein Lager aufgebaut, und die anderen Frauen wollten die beiden nicht bei sich dulden. Dar und Twea strolchten durch das Lager und wichen den Posten aus, bis der Abend dämmerte. Dann kehrten sie zu Dars Apfelbaum zurück. Einer seiner Äste stand fast waagerecht ab und war dick genug, um Twea ein Lager zu bieten. Als gerade niemand hinschaute, bestiegen sie ihn und hofften, dass sein Blattwerk und die zunehmende Dunkelheit sie verbargen.
    Twea schlief ein. Dar fand keine bequeme Position. Zudem drückte der bevorstehende Angriff schwer auf ihr Gemüt. Als es dunkel geworden war, stieg sie so hoch hinauf, bis sie die Stadt sehen konnte. Der abnehmende Halbmond würde erst am nächsten Morgen wieder aufgehen, deswegen musste die Nacht finster ausfallen. Als das letzte Licht verblasste, zündete man entlang der Stadtmauer Wachfeuer an. Die orangefarbenen Flammen wurden von den gekalkten Gebäuden zurückgeworfen und ließen den Ort in der Nacht wie ein helles Trugbild schillern. Dar hörte das leise Geräusch stampfender Füße. Sie konnte die Massen der Orks kaum sehen, als sie in
das Tal einmarschierten. In der Finsternis wirkten sie wie ein sich über die Felder schiebender Schatten.
    Als der Schatten das Licht der Wachfeuer erreichte, löste er sich zu einem Heer auf. Die Orks griffen dort an, wo die Stadtmauer am niedrigsten war, und trugen Leitern, um sie zu überwinden. Von dort, wo Dar sie beobachtete, ähnelten sie einer Woge, die gegen ein Hindernis schlug, das ihr nur kurz widerstand und dann zusammenkrachte. Wo die Orks über die Mauer stürmten, ging das Feuer aus. Sie fochten schweigend. Alle Geräusche, die man hörte, kamen aus Menschenkehlen – anfangs nur Rufe, dann verzweifelt klingende Schreie. Selbst aus dieser Entfernung empfand Dar Entsetzen, als ihre Phantasie sich ausmalte, was ihre Augen nicht sah. Trotzdem konnte sie den Blick nicht abwenden. Je mehr Feuer erloschen, umso dunkler wurde die Stadt, bis sie nur noch ein vager grauer Umriss in dem schwarzen Tal war. Dar kletterte hinab, klemmte sich zwischen den Baumstamm und einen Ast und versuchte zu ruhen.
     
    Irgendwann in der Nacht spürte sie, dass der Baum sich verändert hatte. Sie öffnete die Augen. Er hatte keine Blätter mehr. Auch das Tal hatte sich verändert; es war nun finster und von Dunst

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