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Soldner

Soldner

Titel: Soldner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howell Morgan
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erfüllt. Dar konnte zwar die Umrisse ihrer Umgebung erkennen, doch sonst, von einer Ausnahme abgesehen, nicht viel: Das Tal schien voller Sterne zu sein. Erst auf den zweiten Blick erkannte sie, dass die Sterne keine Sterne waren, sondern etwas anderes. Sie waren golden, nicht weiß, und der Dunst konnte sie nicht verhüllen. Sie leuchteten ungetrübt. Dar liebte sie.
    Die Lichter bewegten sich nun durch das Tal. In seiner Mitte sah Dar eine unheimliche Finsternis. Von beiden Seiten krachte sie gegen das Licht. Als sie die Lichter berührte, gingen sie aus. Immer wenn ein Licht ausging, spürte Dar einen
besorgten Stich. Je mehr Lichter verschwanden, umso stärker wurde ihre Trauer. Schließlich wurde sie unerträglich. »Warum? «, rief sie laut. »Warum zeigst du mir das?«
    Der Baum wurde wieder zu dem alten Apfelbaum im Obstgarten, an dem das dichte Blattwerk des Frühlings wuchs. Twea rief mit verängstigt klingender Stimme: »Was ist, Dar? Warum weinst du denn?«
    Dar unterdrückte mühsam ihr Schluchzen, doch die Trauer, die sie zum Weinen gebracht hatte, blieb. »Ich habe nur schlecht geträumt«, sagte sie. »Schlaf jetzt weiter.«
    Twea sagte nichts mehr. Nach einer Weile nahm Dar an, dass sie eingeschlafen war. Sie selbst konnte nicht mal die Augen schließen. Sie wartete auf die Morgendämmerung und fragte sich furchtsam, was sie da gesehen hatte.
     
    Kregant II. wartete ebenfalls auf die Morgendämmerung. Er war in seinem Zelt auf und ab gegangen, hatte getrunken und die Nacht in Gesellschaft seines Magiers verbracht. In regelmäßigen Abständen tauchten Gardisten auf und brachten Lageberichte. Ihre Meldungen klangen zwar optimistisch, doch skizzenhaft, denn bisher war noch kein menschlicher Soldat in die Stadt vorgedrungen. Sie würden es auch vor Sonnenaufgang nicht tun. Deswegen war der König trotz aller ermutigenden Berichte noch immer nervös.
    »Othar«, sagte er schließlich. »Haben die Knochen gesagt, dass wir siegen werden?«
    »Ja, Herr«, erwiderte der Magier. Obwohl er längst nicht mehr wusste, wie oft er diese Frage schon beantwortet hatte, verriet seine Stimme nicht, dass er sie nicht mehr hören konnte.
    »Und sie haben gesagt, dass es sich lohnt, die Stadt einzunehmen? «

    »Ich habe Gold gesehen, Herr. Wie viel, haben die Knochen nicht gesagt.«
    »Bei Karms Zähnen, wozu sind sie dann nütze?«
    »Sie sind ihren Preis um ein Vielfaches wert«, sagte der Zauberer. »Viele, viele Male.«
    »Wehe, wenn nicht«, sagte der König.
    »Seid Ihr mit meiner Beratung unzufrieden, Herr?«, fragte Othar mit leiser und ruhiger Stimme.
    »Nein«, sagte Kregant schnell und erbleichte. »Ich … ich habe nur gemeint, dass die Kasse leer ist. Ich brauche Siege.«
    Othars welkende Lippen formten etwas, das gerade noch ein Lächeln war. »Klugheit ist nie billig zu haben. Ihr solltet froh sein, dass es Euch nur Gold kostet.«
    »Vielleicht solltest du die Knochen noch einmal befragen«, sagte der König. »Ich möchte mehr über die Große Schlacht wissen, die sie prophezeien.«
    »Dafür brauche ich noch ein Kind«, sagte der Magier. »Vielleicht können wir, wenn wir Stadt erobert haben …«
    »Im Lager ist ein gebrandmarktes Mädchen. Ich lasse es holen. «
    »Jungen sind besser«, sagte der Magier, um die nächste Sitzung im schwarzen Zelt aufzuschieben. »Außerdem haben die Knochen schon viel enthüllt.«
    »Aber was ist mit der Schlacht; mit der großen, meine ich. Ist ihr Ausgang sicher?«
    Othar wählte sorgfältig seine Worte. »Die Knochen sagen, wir werden unsere Ziele erreichen.«
    Diese Antwort besänftigte den König. Er trank weiter.
    Othar empfand Dankbarkeit. Kregants Beharren auf Gewissheit war einfach ärgerlich. Totenbeschwörung war ein heikles Unterfangen, und der Rat, den sie gab, war nur selten unzweideutig. Die Wesenheit hinter den Knochen enthüllte
nicht alles. Außerdem wusste Othar, dass sie eine Abneigung gegen Blutvergießen hatte. Die Ratschläge, die die Knochen gaben, wirkten oft übertrieben, was ihn jedoch nicht daran hinderte, sich für sie stark zu machen.
    Mehr verunsicherte den Zauberer etwas, das kürzlich geschehen war: Er hatte erkannt, dass eine zweite Wesenheit gegen die erste kämpfte. Der Kampf war in den Omen sichtbar, die er erhielt, wenn er Knochen warf. Irgendetwas brachte sie durcheinander, gab ihre Prophezeiungen vager wieder als sonst und machte ihre Anleitung schwerer interpretierbar. Trotzdem war Othar noch immer überzeugt, dass seine Omen

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