Solheim 01 | EUROPA: Der Beginn einer Dystopie (German Edition)
sie von Ninive? Sie wollte zu einer ausweichenden Antwort ansetzen, doch Fenja war schneller. Die langfingrige Linke griff fester nach Sequanas Kinn und mit der rechten Schlug sie ihr ins Gesicht.
„Wo ist Ninive Solheim?“, wiederholte sie die Frage.
„Ich weiß es nicht!“, entgegnete Sequana. Fenja holte aus und schlug erneut zu, dann wiederholte sie die Frage. Sequana spürte ihre linke Wange heiß werden und schmeckte Blut.
„Sie ist auf einem Schiff der Children of Chou.“
Die Antwort schien Fenja zumindest davon abzuhalten, ihr einen weiteren Schlag zu verpassen. Sie stellte ihren Fuß auf die Sitzfläche des Stuhls neben Sequanas Bein. Der Saum ihres Kleids rutschte ein Stück nach oben und enthüllte ein schwarzes Band um ihren Oberschenkel. Eine Sammlung kleiner, dünner Messer und ein Skalpell steckte darunter, ebenso ein Microplayer, den Fenja mit einem Befehl in einer Sequana unbekannten Sprache startete.
Sequana hörte die Aufzeichnung von ihrem Gespräch mit Doignac und Gallea. Fenja und van Ijssel hatten also die Informationen, die sie Doignac gegeben hatte. Und wenn sie Gallea verhören würden, würden sie in kürzester Zeit noch einiges mehr wissen. Sequana fiel Adrian ein. Sie hoffte nur, Gallea würde ihn nicht erwähnen, selbst wenn sie ihn folterten.
„Wo soll euer Treffen stattfinden?“, fragte Fenja ruhig, als die Aufnahme geendet hatte. Ihr Bein hatte sie jedoch nicht wieder vom Stuhl genommen. Die Messer steckten noch immer für sie griffbereit nur Zentimeter von Sequana entfernt.
„Es wird kein Treffen geben. Ich habe den Professor angelogen.“ Sie sah es Fenja an, dass diese Antwort sie nicht völlig überzeugte. „Als ich ihn hier gefunden habe und sah, dass er offenbar kein Entführter ist, wurde ich misstrauisch. Die Wahrheit ist, ich habe Ninive seit ihrer Abreise aus Paris nicht mehr gesehen. Ich habe gehört, dass eine Gruppierung namens Children of Chou die Mission, auf der sie ist, durchführt, daher nehme ich an, dass sie auf einem Schiff von ihnen ist.“
„Du glaubst doch nicht, dass ich dir diese Geschichte abnehme, oder?“ Fenja griff nach Sequanas Haaren und zog ihren Kopf schmerzhaft nach hinten. „Deinem alten Bekannten Doignac tischst du ein Märchen auf und mir erzählst du auf Anhieb die Wahrheit?“
Sequana schwieg. Es gab nichts, was die Situation für sie besser gemacht hätte. Was sollte sie Fenja erzählen? Dass sie in einem Traum erfahren hatte, wo Ninive war und dass sie sich in Hamburg treffen würden? Egal was sie erzählte, Fenja würde ihr nicht glauben, also musste sie bei ihrer Geschichte bleiben.
„Glaub mir oder nicht, was spielt das für eine Rolle?“, antwortete sie schließlich.
„Es könnte eine Rolle für dein hübsches Gesicht spielen“, erwiderte Fenja und zog mit einem kalten Lächeln das Skalpell hervor. Sie presste die flache Seite der Klinge gegen Sequanas Wange und zog ihren Kopf an den Haaren noch ein Stück weiter nach hinten.
Die Tür ging auf. Sequana hörte die Schritte von zwei Personen in den Raum kommen. Fenja verharrte und sah Sequana direkt in die Augen.
„Warum stört ihr mich?“, fragte sie genervt.
„Dreimal darfst du raten!“
Sequana erkannte die Stimme Galleas, dann sah sie einen Schatten im Augenwinkel und im nächsten Moment schlug etwas schwer gegen Fenjas Hinterkopf. Die Hand mit dem Skalpell rutschte unkoordiniert ab und hinterließ einen Schnitt über Sequanas Stirn, direkt neben der gerade verheilenden Wunde, die sie als Andenken an die Bombenexplosion am Vortag behalten hatte. Der Griff in ihren Haaren lockerte sich und einen Augenblick später fiel Fenja vornüber. Sie spürte die Schwere des leblosen Körpers der anderen Frau auf ihrem und hatte Mühe, sich wieder aufzusetzen. Sie erkannte Gallea, der mit einem Sturmgewehr in den Händen vor ihr Stand. Ein Stück dahinter sah sie Doignac, der besorgt die Tür im Auge behielt.
„Was ist passiert?“, fragte sie erstaunt und spürte Blut von einer Platzwunde an Fenjas Schläfe über ihre Schulter laufen.
„Cédric hat endlich seine Eier wiedergefunden!“, Gallea grinste. „Und offenbar hat van Ijssel gedacht, zwei Wachen wären von zwei alten Männern nicht zu schlagen.“ Gallea griff nach einem der Messer an Fenjas Bein und durchtrennte damit Sequanas Fesseln.
„Beeilt euch!“, mahnte Doignac, „ich höre Schritte. Es kann nicht lange dauern, bis sie merken, dass wir abgehauen sind.“
Mit etwas Anstrengung schob Sequana
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