Solheim 01 | EUROPA: Der Beginn einer Dystopie (German Edition)
haben wollten. Sie sollte ihr Schlüssel zu den Korridoren werden.“
„Hoffen wir, dass sie das auch für sich selbst und Isaak ist“, warf Lilian ein. „Danke, Rasmus.“
„Wartet, das Beste habe ich euch noch gar nicht gesagt. Es ist von einem großen Durchgang die Rede, der eine Art Hauptdurchbruch der Korridore in unserer Welt ist. Das ist wohl auch der Ort, an dem zuerst das Sangre hervorgebrochen ist.“
„Wo liegt dieser Ort?“, jetzt war auch Lumière neugierig, der seit ihrer Abreise nur wenig gesprochen hatte.
„Auf Island“, entgegnete Rasmus, „und jetzt ratet mal, was direkt auf unserer Route liegt ... sofern wir nicht noch eine Kurskorrektur machen.“
„Auf nach Island!“, rief Seamus in die Runde. „Zumindest wissen wir jetzt, dass wir noch etwa einen Tag unterwegs sein werden.“
63 | HENNA
Es war nicht ganz einfach gewesen, ein Fährboot zu bekommen, das abseits der drei Hauptrouten über die Elbe fuhr, doch Hartnäckigkeit und Geduld verhalfen Eva und Isaak schließlich zu einer Überfahrt zum kleinen Grasbrook. Sie waren die einzigen Passagiere, die am Anleger des Kommunikationsministeriums ausstiegen. Die kleine Fähre legte ab und verschwand durch die auflaufenden Wellen stampfend im Sturmgrau. Wortlos gingen sie durch die reißenden Böen den Steg entlang und folgten einem breiten, gepflasterten Weg durch die weitläufige Grünanlage, die sich vom Elbufer bis zum Eingangsbereich des Ministeriums erstreckte.
„Wen darf ich anmelden?“, fragte die gelangweilte Stimme hinter der Rezeption, nachdem sie das Gebäude betreten und ihre Regenmäntel an der Garderobe abgegeben hatten.
„Eva Aden. Ich habe einen Termin mit Henna Sandkoog.“
„Einen Moment bitte.“ Der ältere Herr auf der anderen Seite des Rezeptionstresens warf einen fragenden Blick auf Isaak. Eva lächelte ihn an, während Isaak den direkten Augenkontakt von Anfang an vermieden hatte. Ihre Strategie ging auf. Der Mann warf einen Blick in den Terminkalender, dann nickte er nur und übergab Eva einen Zugangschip für den Fahrstuhl. „Stockwerk vierunddreißig, Eurodock-Lounge, Frau Sandkoog erwartet Sie.“
Eva nickte freundlich. Isaak folgte ihr zum Aufzug, der bereits auf sie wartete. Am Vorabend, nachdem Isaak seine Vorgeschichte erzählt hatte, hatten sie beschlossen, seine Identität so selten wie möglich preiszugeben. Das galt vor allem für das Ministerium. Dennoch hatte er es sich nicht ausreden lassen, selbst zum Ministerium zu gehen. Eva war ganz froh darüber. Solvejg und Ninive wären nicht infrage gekommen, da Klone aufgrund ihrer Sangre-Konzentration in Einrichtungen mit Sicherheitszonen keinen Zugang bekamen. Eva hatte angeboten alleine zu gehen, doch trotz eines nervösen Kribbelns in der Magengegend als sie das Ministerium betraten war sie froh, dass sie einen Begleiter hatte.
Sie trafen die Ministerin außer Dienst Henna Sandkoog in der Eurodock-Lounge, einer teuer aussehenden Mischung aus Café und Cocktailbar. Die korpulente Frau war jenseits der Achtzig und entschuldigte sich, dass sie nicht zur Begrüßung aufstand.
„Setzen Sie sich bitte“, sie deutete auf zwei Stühle ihr gegenüber. „Sie sind also Eva und Isaak. Nennen Sie mich Henna, bitte. Was möchten Sie trinken?“
Sie bestellten beide einen Tee und tauschten einige höfliche Floskeln aus, bevor die Ministerin a.D. selbst das Gespräch auf ihr konkretes Thema lenkte.
„Dr. Coolridge sagte mir, Sie würden mit Fragen zu einem Klontransfer kommen?“
„Ja, richtig. Sie wissen, dass meine Patientin ein Klon ist?“, fragte Eva nach.
„Ja, ein Klon aus einem Pariser Labor. Ich habe den Einkauf damals bewilligt. Es waren zwei Klone, die ich über Amsterdam überführen ließ.“
„Warum Amsterdam?“
„Sehen Sie, der Ankauf dieser Klone war nach den wissenschaftlichen Statuten unserer Stadt völlig legal, doch die Pariser Gesetze sind weniger wissenschaftsfreundlich. Ein direkter Kauf aus Paris war nicht möglich. Die beiden Klone stammten aus einer ungenehmigten Programmreihe, soweit mir bekannt ist. Ein Geschäftsmann aus Amsterdam hatte Kontakte zu Wissenschaftlern aus Paris, die sich neuen Experimenten in der Sangre-Forschung annahmen.“
„Dieser Geschäftsmann war Clef van Ijssel, richtig?“
„Korrekt. Warum fragen Sie?“
„Nur aus Interesse. Ich habe den Namen in der Akte meiner Patientin gefunden und versuche nun, die Puzzleteile zusammenzusetzen. Wissen Sie, was mit den beiden Klonen
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