Soljanka (German Edition)
noch einmal insistieren. In der WZ werden ein paar Planungsprojekte aufgelistet. Und es ist dort die Rede von
einem sogenannten Russen-Hochhaus. Was ist das für ein Haus?«
»Das müssen Sie Ihre Kollegen von der WZ fragen. Ich weiß von keinem … Russen-Hochhaus.«
»Okay, dann will ich mal allgemein fragen: Laut Spiegel online hat
sich das LKA mit seinem Kommissariat für
Organisierte Kriminalität in die Mordermittlungen eingeschaltet. Beunruhigt Sie
das? Ist das für Sie ein Grund, eine etwaige Projektplanung auf Eis zu legen?«
»Wir beobachten die Ermittlungen natürlich mit Interesse.« Kostedde
sah demonstrativ auf die Uhr.
Stamm lächelte verbindlich. »Ich verstehe. Meine Zeit ist um. Darf
ich noch eine Frage loswerden, die gar nichts mit Düsseldorfer Hochhäusern zu
tun hat?«
Kostedde erwiderte das Lächeln gönnerhaft. »Wenn’s sein muss«, las
Stamm daraus.
»Bei Recherchen zu einer ganz anderen Geschichte bin ich in
Mecklenburg auf die Abwicklung einer Rindermast in den neunziger Jahren
gestoßen, an der Sie beteiligt waren. Zwei Männer, die damals dabei waren, kann
ich nicht auffinden. Wissen Sie, was aus Ulrich Dembski und Claus van Wateren
geworden ist?«
Kosteddes Gesichtszüge entglitten ihm für einen Moment. Stamm hatte
das Gefühl, dass ihn nur die lähmende Größe der Überraschung davor bewahrte,
abrupt aufzuspringen. Wie Dolche durchbohrten die Augen des Oberbürgermeisters
sein Gegenüber. Stamm zwang sich, seinen Ausdruck freundlichen Interesses
aufrechtzuerhalten.
»Das ist … fürwahr lange her«, erwiderte Kostedde in dem erkennbaren
Bemühen, Zeit zu gewinnen. »Darf ich fragen, was das für eine Geschichte ist,
die Sie da recherchieren?«
»Ach, es geht um eine wilde Ossi-Räuberpistole aus der
Nachwendezeit«, sagte Stamm leichthin. »Eine unaufgeklärte Vergewaltigung, ein
zweifelhafter Selbstmord und mittendrin die Familie eines halbseidenen SED -Bonzen.«
Kostedde entspannte sich ein wenig. »Ja, ich erinnere mich dunkel.
Ich war damals mehrfach als Aufbauhelfer in Mecklenburg. In diesem Fall habe
ich bei der Ausgestaltung des Kaufvertrags ein wenig ausgeholfen. Eine
Routinesache. Ich war damals als Notar tätig, an diesen speziellen Kenntnissen mangelte
es damals noch im Osten. Aber diese schrecklichen Vorkommnisse, die Sie da
erwähnen, die sind mir neu.«
»Sie sind damals für van Wateren eingesprungen, der die Sache wohl
eingestielt hat, habe ich erfahren. Was mir aber bisher niemand beantworten konnte,
ist, wieso Sie Ihren Kollegen abgelöst haben.«
»Weiß ich ehrlich gesagt auch nicht mehr genau. Ich glaube, Claus
van Wateren hatte zu Hause irgendwelche Verpflichtungen, bevor der Verkauf in
trockenen Tüchern war. Um auf Ihre Eingangsfrage zurückzukommen: Soweit ich
mich erinnere, ist er kurz darauf spurlos verschwunden. Das war für uns in der
Kanzlei eine schwere Zeit. Wir mussten das Schlimmste befürchten. Und wie es
aussieht, waren unsere Ängste mehr als berechtigt. Er ist nicht wieder aufgetaucht.«
Sein Blick wirkte jetzt einigermaßen bekümmert.
»Was halten Sie von der Theorie der Polizei, dass er sich nach
Thailand abgesetzt haben könnte?«
»Kann ich nichts zu sagen. Claus van Wateren war ein Einzelgänger.
Ich kannte ihn privat praktisch nicht. Die Polizei wird ihre Gründe für ihre
Vermutung gehabt haben.«
»Und Dembski?«, fragte Stamm.
»Zu ihm kann ich Ihnen gar nichts sagen. Ich habe ihn ein paarmal
getroffen, dann war die Sache erledigt, und ich bin wieder nach Hause gefahren.
Danach habe ich nie wieder etwas von ihm gehört.«
Stamm fixierte Kostedde eine Weile.
Schließlich sagte er: »Es gibt Leute in Mecklenburg, die halten
dieses Rindermastgeschäft für einen großen Betrug. Die Versprechungen der
Käufer aus dem Westen sind allesamt nicht erfüllt worden. Bis heute nicht. Im
Rückblick sieht dieses Geschäft wie ein gigantischer Betrug aus.«
»So manches, was damals mit großen Hoffnungen im Osten gestartet
wurde, hat die Erwartungen leider nicht erfüllt«, philosophierte Kostedde. »Ich
habe das ehrlich gesagt nicht weiter verfolgt.«
»Wer waren eigentlich damals die Käufer des Rindermastbetriebs?«
»Da fragen Sie mich zu viel nach all den Jahren. Irgendeine
Investorengesellschaft, glaube ich.«
»Sie selbst gehörten nicht zu den Gesellschaftern? Oder Ihr Schwiegervater?«
Kostedde stand auf und bedachte Stamm mit einem vernichtenden Blick.
»Dieses Interview ist nun aber wirklich beendet.«
Um halb
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